Seit bald fünf Jahren befrage ich
kleinere und grössere Namen der Heavy- und Rockszene. Deutschlands Metal Lady Nr. 1, Doro
Pesch, gehörte bisher noch nicht dazu. Auch wenn sich das Lampenfieber seit meinen ersten
Interviews längst gelegt hat, war mir bewusst, dass das bevorstehende Gespräch zu den
Highlights in dieser Reihe zählen wird. Allen Unkenrufen und Modeströmungen zum Trotz
hat die stimmgewaltige und sehr sympathische Sängerin alle Höhen und Tiefen des Business
durchwandert. Heute, mehr als zwanzig Jahre seit der Gründung von Warlock ist Doro immer
noch in der Lage, beim Konzert der Grossen mit zu mischen. Mit der Variabilität ihrer
Alben der letzten Jahre konnte sie ihre Anhängerschaft eher aufbauen, denn dezimieren. Es
gibt quasi für jeden was und auf der Bühne ist die quirlige Düsseldorferin eh
unschlagbar. Sie hat sich für die Karriere entschieden und gibt dementsprechend immer
alles. Allein die zahlreichen Auftritte in diesem Jahr festigten den guten Ruf von Doro
und ihrer Band weiter. Nach längerem Ausharren wurde mir dann um 1.15 Uhr die Audienz mit
der einzigen und noch echten Metal Queen gewährt. Obwohl sie nach ihrer total
überzeugenden Power-Show sichtlich müde war, gab sie mir, unentwegt Schokolade essend,
bereitwillig Auskunft. Klar, dass ich der Aktualität wegen auch Genaueres über "den
Boxkampf" wissen wollte, aber es kam noch viel mehr!
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MF: Gleich zu
Beginn die aktuell unausweichliche Frage: wie hast du den Boxkampf verdaut?
Doro: (Den Mund noch voll von Schokolade)..., mmh..., mmh..., das siehst du ja..., gut!
MF: Nun..., ich sehe es ja erst jetzt...
Doro: ...also nicht mal 'ne Schramme..., ah du hast es nicht gesehen? Ja, ich glaube, die
andere (Gina Wild) hatte so blutunterlaufene Augen gehabt und blaue Backen habe ich
gesehen..., so ein paar Tage später dann am Fernsehen oder einen Tag später. Also ich
hab' nix, gar nichts, du siehst es ja (man sah wirklich nichts! MF) und öhm... ja
eigentlich sehr gut, nur war's natürlich der Mega-Stress, weil wir hatten einen Tag
vorher die DVD-Produktion. Drei Tage später habe ich erst zugesagt und kam am Dienstag
aus Moskau..., wir hatten so 'ne Russland-Tour gemacht und dann haben die mich angerufen,
die Daisy Lang, die ist ja Box-Weltmeisterin im Bantam-Gewicht, Regina (Halmich) im
Fliegengewicht und na ja, ich kenne beide sehr gut, wir sind sehr gut befreundet..., mit
der Regina, sowohl auch mit der Daisy. Na und die Daisy hat also angerufen auf meinen
Anrufbeantworter..., gesprochen und dann sind wir aus Moskau gekommen und in Frankfurt
zwischengelandet. Da habe ich als erstes mal meinen Anrufbeantworter abgehört. Na ja, da
meinte sie jaah..., am Samstag ist da was, so ein Boxkampf und so. Da habe ich gedacht,
das geht sowieso nicht, weil am Samstag haben wir ein ausverkauftes Konzert in Bochum
(Zeche) und die Tour und so. Na ja, auf jeden Fall am nächstem Tag hat sie wieder
angerufen und da meinte sie, am Samstag, das ist was am Fernsehen irgendwie, so ein
Boxkampf und ich wusste gar nicht..., wir waren ja die ganze Zeit auf Tour, besonders im
Ausland habe ich nichts davon mitgekriegt. Auf jeden Fall hat sie gesagt, hey, das wäre
doch super, wenn du das machen könntest und die möchten dich gern da haben vom
Fernseh-Sender (RTL). Da habe ich gesagt, das geht nicht..., die Tour und habe abgesagt!
Und der Dirk, mein Tourmanager sagte das dann noch offiziell ab. Er hatte dann angerufen
da..., es war ja bei RTL und dem Manager von der Daisy..., ne, ne hat bei RTL (direkt)
abgesagt. Und auch der Tournee-Veranstalter, der Boss vom Dirk meinte "hey, bist du
wahnsinnig und so? Ey, die ganze Tour..." - ich habe jetzt fünfzig oder sechzig
Konzerte und wenn das was passiert und auf gar keinen Fall! Am nächsten Tag rief der
(gleiche!) Manager Nachts um zwölf Uhr an..., da haben wir geprobt, für die Tour, also
wir hatten noch einen Probetag (am nächsten Tag sollte das erste Konzert in Nürnberg
sein) und sagte: " Ey Doro, lass uns das (trotzdem) machen, das wäre super und so
und ist auch nur Spass", was hinterher dann gar nicht so spassig war, aber..., na ja.
"Die Daisy..., ihr seid doch gut befreundet...", da dachte ich mir..., ich mache
ja seit Jahren Thai-Boxen, was aber ganz was anderes ist. Da habe ich also nochmals mit
Dirk und meiner Band darüber geredet, das war ausschlaggebend. "Na, was meint ihr
denn?" und die Amis sagten: "Ey mach das, mach das, super geil! Weil in Amerika
gibt es das auch, so Promi-Boxen ist dort wohl..., bei uns aber das erste Mal..., nun...,
da habe ich zugesagt!
Am nächsten Tag (Mittwoch) ging es dann los, da haben wir das Konzert in Nürnberg
gemacht, vorher ist die Daisy dann hingekommen und nachher folgte alles mit Presse und
Fernsehen. Ich bin fast verrückt geworden dabei. Ich ging dann um sechs Uhr Abends ins
Bett, musste um acht wieder aufstehen und ab neun Uhr b(e)reit stehen! Das war dann jeden
Tag so, also für zwei Tage. Darauf hier und da und schliesslich eine halbe Stunde
trainieren. Am Freitag haben wir die DVD gemacht, das war der dritte Gig auf der Tour und
es war super anstrengend, weil beim Produzieren einer DVD auch der Druck da ist, dass es
geil wird und für immer da bleibt. Es war so in einer Höhle und die war natürlich super
kalt und nass und so und alle waren da, die Plattenfirma und was weiss ich..., keine
Ahnung wieviele Kameras. Danach war ich fertig und sagte zu mir "ich kann nicht
mehr!" Am nächsten Morgen bin ich dann nach Köln gefahren und gleichzeitig immer
wieder zurück nach Nürnberg, Fulda und so weiter. Am Samstag Abend war dann der Kampf.
Ich war da (in Köln) und habe mich zuerst kurz mit der Daisy unterhalten und hatte immer
noch die Vorstellung, dass das ganz locker und spassig wird. Doch nichts davon trat ein,
keine Spur und ich merkte bald, dass es bitterer Ernst ist. Vor meinem (Kampf) fanden ja
zwei Box-Kämpfe statt und der erste, ...
MF: ...der kriegte ordentlich was auf die Mütze!
Doro: Ey total! Und das habe ich (im ersten Dressing Room) nur so ganz kurz gesehen, da
waren keine Kameras mehr. Seine Nase..., der war blutüberströmt k.o. am Boden und dann
musste ich nach unten in den anderen Dressing Room, wo die Kameras hineinkamen und ich
dachte, das ist ja voll ernst und die Tour..., die Tour und alle ey..., oh Gott! Darauf
bin ich in den Ring gegangen und habe zum Glück nichts davon getragen (schmunzelt). Einen
Tag später (Sonntag) waren wir wieder in Köln beim Konzert und die Fans waren so süss!
Sie hielten so Schildchen hoch und fanden auch, es war ein bisschen Schiebung dabei.
Eigentlich war es voll unentschieden und dann haben sie (ihr) noch einen Punkt gegeben, na
ja..., die Gina hatte aber auch zwei oder drei Monate trainiert und mir blieben drei Tage
Vorbereitungszeit mit einer halben Stunde Training! Ich hätte gerne eine Revanche, aber
nur, wenn ich entsprechend fit und nicht auf Tour bin! Mir tat danach alles weh und es war
schon echt hart. Ich habe ein paar Zeitlupenaufnahmen gesehen..., ey da flogen die Köppe!
Das war wie so zwei kleine Bull-Terrier..., auf jeden Fall war es ein Abenteuer, also
total!
MF: Zurück zur Musik! Ich denke, dass das Jahr 2002 ein gutes Jahr für dich und
die Band war.
Doro: Jaah, auf alle Fälle! Also das war das beste Jahr seit 1986, würde ich sagen.
Echt..., mit den ganzen Festivals, die ganze Festival-Saison war tierisch!
MF: In Balingen seid ihr ja für Magnum eingesprungen...
Doro: ...ja genau, hast du's gesehen? Das war auch super! Also zuerst sollten wir in
Moskau spielen, am selben oder einen Tag später und da rief uns der Veranstalter (von
Balingen) an und teilte uns mit, dass Magnum krankheitsbedingt ausfallen. Da dachte ich
uff, das wusste ja keiner (stimmt nicht, da diese Meldung vor dem Anlass bereits auf den
kleinen Programmflyers zu lesen war! MF) und ist eigentlich blöd, wenn man auf diese
Weise einspringt. Das macht man nicht so gerne, aber als wir da waren, war es super! Die
Fans, die sind da so gut drauf gewesen!
MF: Deine Alben sind musikalisch, über alles gesehen ja vielfältig und haben in
der letzten Zeit unterschiedliche Reaktionen hervor gerufen, Geschmackssache natürlich.
Live ist die Meinung jedoch einhellig, nämlich: ihr seid stärker denn je...
Doro: ...echt wahr! Ja und auch heute Abend war es ein schöner Gig. Ich fand, es war der
beste Gig, den wir hier abgeliefert haben, denn wir spielten schon ein paar Mal hier. Und
ich meine live..., ich muss sagen, es hat noch bis auf eine Platte, das war die
Live-Platte von 1993..., die hat halt genau das selbe Feeling und sonst ist eher keine
Studio-Produktion so an diese Live-Atmosphäre dran gekommen. Weil, bei uns ist es auch
echt immer so ein Zusammenspiel mit den Fans, das ist ganz wichtig und halt ein Part. Und
im Studio, wenn die Fans nicht da sind, dann ist es schon mal eine ganz andere Geschichte
und ein ganz anderes Feeling. Live kann man auch viel mehr aus sich raus gehen, zu
Stärken auflaufen, was ich im Studio nie könnte.
MF: Mich dünkt, du warst heute sehr konstant und hattest keinen Ausfall.
Doro: Ja..., und im Studio.., also..., das ist halt doch eine Extrem-Situation. Auf die
Bühne zu gehen ist wirklich was anderes. Im Studio, da merkt man auch sofort, wenn es
einen weh tut, aber live kann man doch zu extremen Sachen gehen, einfach weil..., wenn die
andern sich freuen..., wenn man so ein positives Feedback kriegt, so die Energie. Das
kriegt man nicht im Studio und deswegen ist es sehr schwer.
MF: Ihr seid halt auch eine eingespielte Band.
Doro: Ja, das auch..., und die Live-Platte, die habe ich deshalb so geliebt. Aber bei den
(Studio-) Platten versucht man auch immer was anderes zu machen. Jeder Song soll irgendwie
eigenständig sein und es ist auch immer sehr schwer, die Leute halt so zu begeistern mit
Sachen wie "Für immer". Da sind sich viele Fans einig, dass das ein Highlight
war und dann fragen auch viele, ja..., mach doch noch mal sowas wie "Für
immer", aber das geht nicht, das ist einmalig. Da muss man wieder andere Wege gehen,
um die "Magic" zu kriegen und es gibt auch unterschiedliche Geschmäcker. Jede
Seele sucht sich seine Musik, das ist auch o.k. und ich kann gut damit leben. Aber die
Fans, die suchen sich dann schon ihre Lieblingssongs raus aus den Platten. Also ich habe
zum Beispiel auch die "Love me in black" wirklich so gern gemocht, obwohl sie
nicht so dolle Kritiken bekommen hat.
MF: Es ist nun gut 20 Jahre her, seit du Warlock damals gegründet hast.
Eigentlich Zeit, um zurück zu blicken. Welches waren die eindrücklichsten Momente, die
absoluten Highlights deiner Karriere, kurz zusammen gefasst?
Doro: Ja..., also die absoluten Highlights.., die waren..., wie wir damals den Anruf
kriegten, dass wir Support-Band werden von Judas Priest. Das war 1986 glaube ich und wir
waren alle die totalen Judas Priest Fans nach wie vor und es waren unsere Idole und man
hätte niemals gedacht, dass wir überhaupt mal irgendwie so in die Nähe kommen. Da haben
wir dann die Judas Priest Tour gekriegt und das war die erste Europa-Tour und ein
Highlight dazu. Darauf quittierte ich meinen Job, ging ja vorher ganz normal einer Arbeit
nach. Ein weiteres (Highlight) waren die "Monster of Rock"-Festivals, ganz super
ey. Das hat auch so Ausmasse angenommen..., ich glaube da waren 120'000 Leute da..., in
England, in Castle Donington und damals war es noch so..., wenn man nach Amerika wollte,
musste man sich erst in England beweisen. Das ist heute nicht mehr so, aber das war damals
ganz extrem. Und das war dann auch die riesige Chance, und das kam sehr gut an und da
haben sich viele Türen geöffnet. Danach haben wir auch das erste Release ("Triumph
an agony", 1987) in Amerika gekriegt. Damals war das irgendwie unser Traum. Ich kam
nach Amerika für eine kleine Promotion-Tour, konnte wirklich so ganz ein kleines bisschen
Englisch und da war ich dann..., drei Tage und dann habe ich gedacht oh Gott..., erst mal
musst du dich gut fit machen, weil ich hatte "tausende" von Interviews am Tag
und mit allen möglichen Radio-Stationen über Telefon von Texas über New Orleans und
alles und boa..., da hatte ich gedacht "scheisse Mann, ist das super, ich bleib'
da..., ich bleibe in Amerika". Das muss ich mir reinziehen, die Sprache lernen, damit
man die Texte gut schreiben kann und die Sprache verinnerlichen. Ich war auch wirklich
überwältigt von New York..., also die Promotion war auch dort..., Manhatten und da
dachte ich mir, da muss ich bleiben! Nach drei Tagen rief ich meine Kumpels und meine
Eltern an und sagte ihnen, dass ich hier bleibe. "Du spinnst doch !" kriegte ich
zu hören und dann haben wir die "Triumph and agony" gemacht. Da kamen auch so
viele schöne Zufälle zusammen, das war eigentlich mit eine meiner Lieblingsplatten und
da haben wir auch den aller ersten deutschen Song gemacht. Den hätte ich nie gemacht,
wäre ich in Deutschland geblieben. By the way hätte ich mich gar nicht getraut. Da gab
es auch viel Diskussionen..., ich weiss noch mit der Plattenfirma, die meinten ne, tu den
Songs runter, das ist kein Metal und es ist deutsch und so.., eine Ballade. Da habe ich
gesagt "bitte ey, ich muss den Song"...
MF: ...und heute ist er ein Markenzeichen!
Doro: ...ja voll und dann habe ich es Gott sei Dank durchgezogen. War der letzte Song,
letzte Seite..., aber das war ja..., "Für immer" würde ich sagen war ein
Highlight. Au ja auch..., das war unser erstes Video..., das haben wir in Los Angeles
gedreht, in dem selben Ding, wo "Terminator 2" gedreht wurde. Das ist das
L.A.-River Bassin und da war ich das allererste Mal in L.A. und das war auch so eine
wirklich..., so 'ne super Produktion... also, ich weiss nicht, wieviel Dollar das
verschlungen hat, aber das war mal so richtig fett!
MF: (Ich kramte dazu nun ein paar alte mitgenommene Berichte vom Metal Hammer
hervor)
Doro: Genau genau..., ja genau, das war es..., das war "Für immer" und..., ja
(sie schaut sich die Bilder sehr interessiert an und ist meist hin und weg! Ein paar Fotos
fand sie dann nach all den Jahren aber doch nicht mehr so toll) und das "Für
immer"-Video haben wir in Louisiana (ich dachte in Los Angeles? Na ja..., ist halt
schon früh am Morgen! MF) gemacht, das war auch der Wahnsinn! Und dann haben wir viele
Tourneen gespielt, auch die Dio-Tour war ein Highlight und ich war ja immer ein grosser
Kiss Fan, und ein Traum wurde echt wahr, als Gene Simmons dann die nächste Platte
produziert hat, das war 1990. Jeden Tag da mit dem Gene im Studio zu sein und zu labern
und zu arbeiten, also es war super genial! Und dann..., die letzte Dio-Tour haben wir in
Amerika gemacht, vor zwei Jahren, die war auch grossartig! Weil, das war das erste Mal
wieder nach Jahren, dass wir in Amerika getourt haben, da dort Metal oder die Musik die
wir machen, überhaupt nicht mehr supportet wurde, so von der Industrie, aber die Fans
sind immer noch da gewesen. Eigentlich genau wie hier, da ging's ja auch so bergab in den
90-ern, aber in Amerika ging's dermassen bergab, man konnte gar nicht mehr spielen. Das
war also wieder die erste Tour da und war echt so laut und es war so göttlich, einfach
super. Da sind wir alle selber noch den Tourbus gefahren und so..., die Band, ich,
alles..., das war so richtig wieder "back to basics"..., ja und dann würde ich
sagen jetzt dieses Jahr, so die ganzen Festivals. Jedes einzelne davon hatte so seine
eigene "Magic". Wir haben das erste Mal in Ländern gespielt, wo wir noch nie
waren, in Ungarn zum Beispiel..., unser Keyboarder und Rhythmus-Gitarrist (Oliver Palotai)
ist ja Ungare, der hat sich super gefreut..., "Gods of Metal" in Mailand haben
wir das erste Mal gespielt, das war auch genial. Ja und Wacken sowieso und Balingen...,
das "Sweden Rock Festival", haben wir auch wieder das erste Mal seit Jahren
gespielt...
MF: ...Highlight an Highlight reiht sich aneinander...
Doro: ...und Spanien ist bei uns der beste..., also..., es ist der Wahnsinn!
MF: Sehr emotional...
Doro: ...ja, ja..., deswegen auch der spanische Song ("Salvaje") auf der Platte.
Das ist immer die Hölle los!
MF: Du hast vorher Gene Simmons erwähnt..., du hast ja schon mit vielen
Musiker-Kollegen zusammen gearbeitet und zuletzt mit Udo (Dirkschneider) was Schönes (den
Song "Dancing with an angel" auf dem Album "Man and the machine" MF)
gemacht. Wer steht denn noch auf deiner Wunschliste und ist es schwer, die Leute dafür
rum zu kriegen?
Doro: Ah..., nein nein! Also meistens ist es so, dass sich solche Sachen ergeben. Auch mit
dem Udo..., er hat mich angerufen in Amerika, da haben wir gerade die Platte aufgenommen
und sagte ey, wir haben hier einen Song, ich glaube, der könnte super passen und wir
wollten schon immer mal was zusammen machen. Schon zu Accept/Warlock-Zeiten, aber das hat
immer irgendwie nicht geklappt, entweder Plattenfirma oder Management..., irgendwas war
da.., hat sich nicht ergeben, aber zuerst ist der Song da und dann denkt man sich ouu,
da..., da, das wäre gut, wenn der oder der singen oder Gitarre spielen würde. Das hat
man so im Gefühl und die Leute, mit denen ich zusammen gearbeitet habe..., das hat sich
immer so ergeben. Das war nie irgendwie..., tja..., auf einmal komm, wir machen was
zusammen und...
MF: ...mit Lemmy beispielsweise...
Doro: ...ja, mit Lemmy..., das war super! Das war grossartig..., grossartig! Dem hatte ich
einen Brief geschrieben, weil da lag so ein Foto in seinem Album-Cover drin, das war
"No sleep at all" vom "Monsters of Rock"-Festival, so ein
Schwarz/Weiss-Foto. Und irgendwie habe ich mir die Platte angehört zuhause, während wir
gerade an der "Call of the wild" arbeiteten. Auf einmal gucke ich das Foto
an..., das habe ich noch nie gesehen..., das hat mir nämlich ein Fan geschenkt..., so die
Platte und ich fand das immer so schön mit dem Road-Case, aber ich habe nie reingeguckt
weil, so Vinyl habe ich auch manchmal..., ja..., kennste..., so im Schrank stehen und man
hört dann doch nur CD's und ja, auf einmal habe ich die Platte rausgetan und
draufgeschmissen und bin dann auf das Foto gestossen. Da dachte ich ey, das gibt es doch
gar nicht! Und ja, dann habe ich dem Lemmy also 'nen Brief geschrieben und gesagt hey, wir
sind Label-Mates, weil Motörhead sind ja auch bei SPV und ja..., ich hätt' super Bock
was zu machen und vielleicht haste ja auch Lust und so und wenn irgendwie Zeit...,
Lust..., was weiss ich. Hier haste mal meine Nummer, für alle Fälle. Ja, und dann habe
auch nie gedacht, dass der Brief ihn (den Lemmy) überhaupt erreicht, weil ich ihn (den
Brief) in irgendso ein Büro geschickt hatte. Na, und auf einmal ging mein Handy und es
war tatsächlich der Lemmy dran, der echt meinte "komm, ich habe super Bock, lass uns
was machen!" Das hat sich auch so ergeben und auf der Wunschliste, da steht..., da
stehen noch ein paar Leute, aber nur wenn es sich ergibt! Wenn es so sein soll und wenn
der Song irgendwie da ist oder so. Also zum Beispiel Ronnie James Dio ist einer meiner
Lieblingssänger und..., James Hetfield oder (Glenn) Danzig..., ja..., es gibt sehr viele.
MF: Für die deutschen und viele andere Fans wirst du auf ewig die Metal Queen Nr.
1 sein und bleiben. Lee Aaron war ja auch mal eine...
Doro: ... ja, ja..., voll!
MF: ...macht heute aber Jazz Musik. Könntest du dir sowas auch vorstellen, das
heisst mal überhaupt ganz was anderes zu machen?
Doro: Ach ja..., im Moment nicht..., also ich mache immer auf jeder Platte auch das,
was..., was man jetzt vielleicht auch gar nicht irgendwie so als..., es ist immer
irgendwie so ein bisschen breit gefächert. Du kennst ja die ganzen Sachen..., also wenn
ich den Song "Für immer" nehme, da würde ich auch nicht sagen, das ist jetzt
totaler Metal..., es ist einfach was anderes und ich versuche immer alles so zu
kombinieren. Oder nimm einen Sprechgesang..., so..., ich mag auch so gerne den Song
"The fortuneteller" von der "True at heart" oder jetzt
"Hoffnung", es ist also..., ja oder meinen Blues haben wir gemacht da...,
"Gettin' nowhere without you"..., also ich versuche immer alles auf eine Platte
zu packen und dann..., ja und die Fans, die entscheiden dann, was sie mögen. Aber
deswegen habe ich nicht das Gefühl, ich muss jetzt eine ganze solche Platte machen...,
was ganz anderes. Es ergeben sich immer neue Erkenntnisse und Erfahrungen und wie man sich
halt gerade fühlt. Deswegen bin ich ganz glücklich. Jede Platte ist ein eigentlich ein
Spiegel von dem, was man gerne machen möchte..., also nicht dass ich jetzt einen geheimen
Wunsch hätte, zum Beispiel mal 'ne ganze Country-Platte auf zu nehmen.
MF: Früher war ja der Einfluss von der Plattenfirma und/oder dem Produzenten
gross.
Doro: Früher..., ja, ja..., das stimmt!
MF: Wie steht es heute mit deinen musikalischen Freiheiten?
Doro: Jaah.., ich hab' die totale Freiheit, was echt super ist! Das hat mich früher voll
angekotzt, weil es gab manchmal Zeiten, da war die Band überhaupt nicht mehr..., man
konnte nichts mehr sagen. Also alle Leute hatten die Fäden in der Hand..., es war bei der
"True at steel"-Zeit zum Beispiel so..., der Produzent, der Manager, die
Plattenfirma..., wir waren da echt ausgeliefert und das war Horror! Da durfte man
musikalisch nicht mehr das machen, was man wollte. Ich durfte nicht mehr meine eigenen
Texte singen..., die wurden dann verfälscht und so auf kommerziell getrimmt. Ey..., und
da habe ich die Platte unter Tränen eingesungen, das weiss ich noch! Und dann hinterher
weiss ich noch..., die Fans haben es auch irgendwie gespürt, dass da was Komisches
war..., so von den Vibrations her..., das merkt man ja doch immer! Das war eigentlich die
letzte Platte, danach habe ich immer dafür gekämpft, dass es so ist, wie ich es
vertreten kann und es mag. Die letzten Jahre, seitdem wir bei SPV sind, waren super! Bei
der "Calling the wild" und bei der "Fight", da gab es keinen, der
sagte, das geht nicht oder das darfste nicht machen. Die haben einen wirklich total
vertraut und Freiheit gelassen und das fand ich super. Bei der "Love me in
black" habe ich auch dafür gekämpft, dass sie so wird, wie sie dann wurde. Da habe
ich Kämpfe ausgestanden und da meinte einer doch tatsächlich "wir promoten die
Platte nur, wenn die Haare ab und schwarz...". Ey Mensch..., das konnten die gleich
mal knicken! "Dann kommt die Platte halt nicht raus"..., weisste so..., auch so
Sachen, die dann sehr ins Persönliche oder die Privatsphäre reingehen. Na ja..., aber
jetzt..., wir hatten auch völlige Freiheit mit dem Cover, das habe ich zusammen mit einem
Graphiker gemacht und konnte alles so verwirklichen..., ich bin ja auch ein "Sucker
for visual stuff" und so..., und dann auch wieder die Maler, die schon "Triumph
and agony" gemalt haben, für das Album-Cover und die ganz vielen Fotos innen
drin..., das hat mir so 'nen Spass gemacht. Die Plattenfirma hat eben auch mitgemacht!
MF: Das ist schön..., o.k....
Doro: Ich glaub', dass ist auch ein Grund, warum es so gut läuft..., weil die Fans
spüren, dass es einfach voll ehrlich rüber kommt und nicht mehr von irgendjemand
manipuliert oder gepusht wird. Es ist einfach so, wie es ist...
MF: ...das sind also die Lernjahre, die quasi jeder Musiker mal durchwandern muss.
Doro: Ja..., manchmal geht's auch nicht anders.., na ja.
MF: O.k..., ja..., letzte Frage: was ich schon immer mal sagen wollte, ist: ...?
Doro: Ou..., dass ich das nur mache und durchstehe..., die ganzen Sachen..., wo auch viele
Kämpfe ausgestanden werden müssen, so wegen den Fans. Sie sind es, die mir die Kraft,
die Power und die Energie gegeben haben, um weiter zu machen und nie den Spass dran zu
verlieren. Ja, und dass ich die Fans total liebe und dadurch immer mein Bestes geben
werde, alles dafür tun würde und immer hoffe, sie auf die eine oder andere Art und Weise
glücklich zu machen. Ob es ein Konzert ist oder mit den Songs, Platten oder so und dass
mir das das Heiligste ist im Leben.
MF: Wunderschönes Schlusswort, danke vielmals!!! (Doro schmunzelt dazu nur, müde
wie sie ist, aber ihre Liebenswürdigkeit und Ehrlichkeit die sie dabei ausstrahlt, ist
unglaublich und wohl einmalig in diesem zum Teil verlogenen Business! Die Einschätzung in
meiner Einleitung zum Interview ist wahr geworden...)
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