Interview: Crystal Ball
By Roger W.
Hard Rock verleiht U-Booten mehr Power!



Crystal Ball sind zurück! Nach sechs langen Jahren bringen die Hard Rocker in diesen Tagen ihr neustes Werk «Dawnbreaker» unter die hungrige Fan-Schar. Vergessen scheinen die Strapazen, welche vor und nach dem letzten Album «Secrets» für Verwirrung und Ärger sorgten. Dass das neue Material mit den alten Glanztaten mithalten kann, ist alles andere als selbstverständlich, denn nach dem Sängerausstieg mussten sich Crystal Ball neu finden und auch an der zweiten Gitarre und am Bass gab es immer wieder Wechsel. Einzige Konstante in diesem Sturm blieben Gitarrist Scott Leech und Schlagzeuger Marcel Sardella. Beide geben in diesem Interview Auskunft über das Geschehene und über Single-Entscheidungen. Was Crystal Ball mit U-Booten gemeinsam haben, verrieten die beiden zum Schluss.

MF: Euer neues Album heisst «Dawnbreaker». Was bedeutet euch der Name?

Scott: Er ist für uns das Symbol eines Neuanfangs. Das ist das Konzept dahinter, welches auch irgendwie auf der Hand liegt.

MF: Ihr beginnt das neue Album mit einer klassischen Interpretation von Zarathustra. Von wem stammt das Stück?

Marcel: Von Strauss.

Scott: Ja, das ist von Richard Strauss.

MF: Ist das die musikalische Wiederauf-erstehung nach der letzten schweren Zeit?

Scott: Ja, durchaus. Also schwer ist vielleicht ein wenig übertrieben. Es hat jetzt einfach lange gedauert. Wir wollten uns aber Zeit lassen, damit einfach alles stimmt, wenn wir zurück kommen.

MF: Für Neueinsteiger ein kleiner Blick zurück in eure Geschichte: Ihr habt euch in den 90er Jahren als Cherry Pie gegründet, mit welcher ihr als Cover-Band unterwegs wart. Ende der 90er Jahren habt ihr begonnen, eigene Alben raus zu bringen. Das dauerte dann bis…?

Scott: 2007.

MF: Ihr wart dann auch mal beim Szene-Riesen Nuclear Blast unter Vertrag.

Scott: Ja genau, das war für drei Alben.

MF: Nach dem letzten Album «Secrets» ist einiges geschehen. Was ist passiert? Ihr hattet zum Beispiel eine Tournee angesagt, welche nicht richtig zu Stande kam.

Scott: Der Promoter, welcher diese Tour angesagt hatte, strich nach dem ersten Konzert seine Segel. Wir hatten uns natürlich darauf verlassen, dass diese Tour klappen würde, und standen dann wie mit abgesägten Hosenbeinen da. Aufgrund dieser Enttäuschungen hatten wir dann das Gefühl, mal eine Pause machen zu müssen. Also einfach mal ein wenig Zeit vergehen zu lassen. Nach zehn Jahren Vollgas waren wir auch ein wenig ausgebrannt. Irgendwie fühlte es sich auch nicht mehr richtig an. Wir hatten das Gefühl, dass wir ein wenig warten mussten. Die Freude und die Leidenschaft für das Ganze sollte wieder zurück kommen. Wir hatten über all die Jahre sehr viel in die Band reingesteckt und konnten natürlich auch viel ernten, aber nicht ganz so viel, wie wir vielleicht gerne gehabt hätten. Wir hätten noch weiter kommen wollen. Und darum hat es sich so ergeben, dass wir uns gesagt hatten, mal eine Pause zu machen. Jeder sollte mal ein bisschen für sich selber sein, sich auch mal neu orientieren können. Dieser Neuanfang hat dann länger gedauert, als wir gedacht oder gehofft hatten. Wir hatten nicht die Absicht, sechs Jahre auf ein neues Album zu warten. Aber es ist wie es ist, und jetzt ist es gut.

MF: Euer Ex-Sänger Mark Sweeney brachte zwischendurch Solo-Alben heraus. Wie überraschend kam sein Ausstieg für euch?

Marcel: Ich denke, dass sich das auf diese lange Zeit schlussendlich abgezeichnet hat. Man war sich dann plötzlich nicht mehr so einig, wie der Weg weitergehen sollte. Wir sind oft zusammen gesessen und haben diskutiert. Das war immer sehr freundschaftlich. Es hat sich dann einfach raus kristallisiert, dass Mark mehr seinen eigenen Weg gehen möchte. Also mehr auf Solo-Projekte setzen wollte. Wir hatten dann aber gleichwohl gesagt, dass wir Crystal Ball weiterziehen möchten. Wir wollten das Ganze nochmals an den Start und vorwärts bringen. Und so ergab es sich, dass wir getrennte Wege gehen mussten.

MF: Einen neuen Sänger zu finden ist nicht so einfach. Ihr seid in Deutschland fündig geworden.

Scott: Ja, das war eigentlich fast der Hauptgrund, wieso es so lange bis zum neuen Album gedauert hat. Der Ausstieg von Mark ist jetzt drei Jahre her. Wir haben sehr lange und sehr intensiv nach einem neuen Sänger gesucht. Wir hatten verschiedene Kandidaten – auch aus der Schweiz sowie aus Italien, Österreich, Deutschland - also aus einem grossen Einzugsgebiet. Es hatten sogar Leute aus Finnland angefragt. Schlussendlich war es, wie fast immer, der Zufall, der uns zu unserem neuen Sänger geführt hat. Er hat mich über Facebook kontaktiert, wusste aber gar nicht, dass wir nach einem neuen Sänger suchen. Ich habe dann gesehen, dass da eine neue Freundschaftsanfrage ist und habe nachgeschaut, was das für einer ist und mir gedacht: „Aha, ein Sänger“. Ich schrieb ihm dann, ob er gewusst habe, dass wir einen Sänger suchen. Und er meinte nein. Dann habe ich mal rein gehört und mir gedacht, dass das ziemlich cool klingt. Er war damals gerade mit Jürgen Blackmore, dem Sohn von Ritchie Blackmore, unterwegs. Und was ich da gehört habe, hat mich sehr beeindruckt. Also habe ich ihn angefunkt, ihn anschliessend getroffen und ein Konzert von ihm besucht. Mein Interesse war geweckt. Wir luden ihn dann für eine Session ein und der Rest ist Geschichte.

MF: Das heisst, dass neben seiner Stimme auch die Stimmung zwischen euch stimmte?

Marcel: Genau,das ist ein sehr wichtiger Punkt. Darum hatten wir uns auch so viel Zeit genommen. Weil wir uns gesagt haben: „Wenn wir wieder raus gehen, dann muss es einfach passen. Dann muss es stimmen, sowohl musikalisch wie auch menschlich. Wir hatten sehr viele Castings mit Leuten aus verschiedenen Ländern, welche menschlich super waren, dafür musikalisch nicht so – oder umgekehrt. Mit dem Steven haben wir jetzt den Mann gefunden, der in die Familie passt: Musikalisch wie auch als Person. Wir sind jetzt sehr froh da zu sein, wo wir jetzt sind. Jetzt fangen wir wieder an, das Ganze zu aufzurollen.

MF: Vom neuen Album gibt es ein Digipak mit zwei Bonustracks. Was ist die Idee dahinter?

Scott: Das Digipak ist limitiert. Wenn es weg ist, ist es weg. Es ist eine Erstpressung, welche nicht mehr nachgepresst wird. Die, welche ein wenig schneller sind, sollen quasi auch belohnt werden.

MF: Und die andern können dann an einer Metalbörse danach suchen.

Scott: (lacht) zum Beispiel.

MF: Das Vorgänger-Album «Secrets» kam 2007 raus. Wie alt sind die Lieder vom neuen Album? Sind die alle nach 2007 entstanden?

Scott: Die meisten sind seither entstanden. Es gibt ein bis zwei Lieder, welche noch älter sind, aber noch eine „Frischzellenkur“ durchgemacht haben. Es gibt so zwei, drei Lieder, welche ich immer schon mal veröffentlichen wollte, es aber irgendwie nie so richtig gepasst hat, und mit dem neuen Sänger haben wir diese Lieder wiederbelebt.

MF: Neben dem neuen Sänger habt ihr einen neuen Bassisten und einen neuen Gitarristen. Haben diese auch Ideen zu den Songs mitgebracht?

Marcel: Definitiv. Die Grundideen sind zwar hauptsächlich von Scott und er hat wieder einmal gnadenlos Superarbeit geleistet. Wir haben diese dann in Scotts Studio als Homerecordings aufgearbeitet und verarbeitet. Und gleichwohl konnte jeder seinen Teil zu den Songs beitragen. Das ist absolut gut gegangen, aber die Grundideen kommen meistens von Scott. Diese werden dann in der Zusammenarbeit mit uns allen zu den fertigen Songs.

Scott: Es war uns aber auch sehr wichtig, dass Steven nicht einfach Songs nachsingen muss, welche ich irgendwie vorgegeben habe, sondern dass er auch seine Sachen einbringen konnte. Das hat er auch sehr gut gemacht. Gewisse Sachen hat er übernommen, andere wiederum hat er gleich für sich geändert, was sehr gut war. Es war für uns auch sehr wichtig, dass er sich so präsentieren kann, wie er tatsächlich singt und nicht anders. Er muss dann immer noch genügend andere alte Lieder nachsingen, welche vorgegeben sind. Aber er sollte auf dem neuen Album wirklich zeigen, wie er selber singen kann. Er sollte also seinen eigenen Stil einbringen. Dasselbe gilt aber auch für die andern. Unser neuer Gitarrist hat zum Beispiel zwei Lieder zum neuen Album beigesteuert. Er ist relativ spät dazu gekommen, weshalb es vielleicht auch nicht mehr sind. Das ist aber etwas, was wir wohl in Zukunft noch vermehrt machen werden. Also dass sich alle noch mehr selber einbringen können, damit wir zu einer Einheit verschmelzen. Sicher wird sich unser Stil noch ein bisschen mehr heraus kristallisieren.

Marcel: Ich denke, dass hört man auch auf dem neuen Album - diese neue Frische und diese Inputs von uns allen, also dass man das auch merkt und es hörbar ist.

MF: Wie schwierig war es, Steven Freiheiten zu lassen und trotzdem dafür zu sorgen, dass es sich immer noch nach Crystal Ball anhört? Weil für mich klingt es nach wie vor nach Crystal Ball.


Scott: Das freut mich, dass man uns immer noch raus hört. Ich bin und war neben Marc Sweeney einer derjenigen, welcher sehr viel zu Crystal Ball beigesteuert hat. Darum ist es irgendwie logisch, dass man es immer noch hört. Es ist etwas, was man nicht so gut steuern kann. Wir haben einfach losgelegt und uns die Sachen immer wieder angehört, daran gefeilt. Wir sind zufrieden mit dem Ergebnis. Schlussendlich hatte der Produzent auch noch die eine oder andere Idee. Und so ist es zu unserer Zufriedenheit herausgekommen.

Marcel: Ein wichtiger Punkt ist, dass wir wirklich das machen, was uns Spass macht. Wir setzen uns nicht in den Kopf, dass wir mal dies und das ausprobieren müssen. Wir machen einfach, was uns liegt. Und das, was uns Spass macht und letztlich auf dem Album dann auch zu hören ist.

MF: Ihr habt zum Album zwei Singles rausgebracht, welche jeweils die gleichen Lieder in umgekehrten Reihenfolgen haben. In der Schweiz ist der Titeltrack die Ballade, in den anderen Ländern ist es der Hard Rocker. Wollt ihr damit die verschiedenen Märkte ansprechen? Denn im Grunde ist es ja zweimal die gleiche Single.

Scott: Genau. Hier ist einfach die Reihenfolge umgekehrt. Und der Titel der Single ist jeweils ein anderer. Es ist ganz klar, dass wir eine Hard Rock-Band sind – logisch. Aber wenn Hard-Rock Lieder am Radio gespielt würden, würden wir mit Freuden eine Hard Rock-Single raushauen. Das ist aber leider nicht die Realität. Abgesehen von ein paar wenigen Sendeformaten fristet Hard Rock nach wie vor ein Schattendasein. Und darum haben wir diese Balladen-Single gemacht, um eine gewissen Chance zu haben, im Radio gespielt zu haben. Das geben wir ganz offen zu. Das heisst aber nicht, dass wir uns irgendwie verkaufen. Wir finden den Song ja auch gut. Wir hätten diese Ballade sowieso gemacht. Vielleicht nicht als Single, zugegeben. Aber das ist halt so, wie der Markt funktioniert. Wir probieren damit, ein breites Publikum anzusprechen. Das ist ganz klar. Und deswegen wollen wir uns auch nicht verstecken. Es ist auch so, dass jeder Musiker lügt, wenn er sagt, dass er nicht möchte, dass seine Musik gehört wird.

MF: Wie schwierig ist es, eine solche Ballade zu spielen? Es ist ja eine ganz andere Spielart als bei den rockigeren Stücken?

Scott: Ja, das stimmt. Klar, das war schon eine Herausforderung. Eigentlich war es ja so, dass ich mir eine neue akustische Gitarre gekauft hatte. Das ist jetzt kein Witz. Dann habe ich mir gedacht, wenn ich jetzt schon eine habe, sollte ich auch darauf spielen. Also habe ich darauf herum geklimpert und der Song ist entstanden. Es war eine Herausforderung im Studio. Ganz klar. Das wird oft unterschätzt. Aber da ich es selber komponiert hatte, ging es schlussendlich doch relativ leicht von der Hand. Man spielt ja schliesslich das, was man irgendwie kann.

Marcel: Von meiner Seite war ich natürlich froh, dass es auch mal ein solches Lied gibt. Nachdem ich sonst immer hämmern und Gas geben muss, ist für mich eine solche Verschnaufpause schon von Freude. (lacht):

MF: Ihr habt zu beiden Single-Liedern einen Video-Clip aufgenommen. Das scheint mir doch eine ziemliche Herausforderung zu sein. Wolltet ihr damit die neue Mannschaft von Crystal Ball vorstellen?

Scott: Absolut, so ist es. Das ist, damit die Leute nicht nur hören, wie der neue Sänger klingt, sondern dass sie auch sehen, wie die neue Band aussieht. Wir wollten so auch beide Seiten von uns zeigen. Also sowohl die balladeske wie auch die rockige Seite. Das war uns wirklich wichtig, und darum haben wir gleich zwei Clips aufgenommen. Mit dem Ergebnis sind wir sehr zufrieden. Beide Video-Clips sind sehr unterschiedlich, aber wir sind mit beiden superglücklich. Die kann man übrigens auf Youtube auf dem offiziellen Crystal Ball-Chanel ansehen. Ihr findet sie unter „Official Chrystal Ball“.

MF: Aufgenommen habt ihr das Album bei Stefan Kaufmann (Ex-U.D.O. und Ex-Accept). Wurden bereits frühere Alben mit ihm aufgenommen?

Scott: Ja richtig. Das «Hellvetia-» und das «Time Walker»-Album haben wir bereits mit ihm gemacht.

MF: Ihr wusstet also, was auf euch zukommt?

Scott: Ja, und wir sind mit den beiden Alben auch sehr zufrieden, weshalb wir wieder bei ihm aufnehmen wollten. Es war jetzt eine neue Situation, da er ein neues Studio hat. Er ist mit seinem Studio umgezogen. Und durch das, dass er nicht mehr bei U.D.O. involviert ist, hatte er nun auch mehr Zeit. Nicht, dass wir vorher bei ihm im Studio keine Zeit gehabt hätten, aber wir merkten, dass er sehr entspannt ist. Er hat sich irgendwie mit der Situation arrangiert und sich jetzt auf seine Tätigkeit als Produzent konzentriert. Es ist eine supertolle Arbeitsatmosphäre bei ihm.

MF: Ihr wart Ende September in Portugal auf Promo-Tour. Habt ihr dort Interviews gegeben?

Scott: Ja, auch.

Unser Roger W. (mitte) mit Marcel und Scott >>>

MF: Wieso habt ihr das gerade in Portugal gemacht?

Scott: Es ist eigentlich nicht so, dass wir uns dieses Land ausgesucht hätten. Es gab eine Möglichkeit, dass wir für eine Firma ein Konzert spielen konnten. Die hatten einen riesigen Firmenevent und wir hatten für diese Firma ein Lied geschrieben. Das ist das Lied «Powerpack», welches auf dem neuen Album drauf ist. Es geht bei diesem Lied thematisch eigentlich um Batterien. Und darum wurden wir dort eingeladen, um an diesem Firmenevent in Lissabon zu spielen. Die hatten dort ein riesiges Sales-Meeting, Und wir nutzten diese Gelegenheit, um ein bisschen Promo zu machen. Wir konnten dann für verschiedene Magazine Werbung machen und Interviews geben.

MF: Das war also für eine Batterien-Firma?!

Scott: Ja (lacht), genau! Also nicht für so normale Batterien à la Duracell, sondern für Industrie-Batterien. Das sind Produkte, welche zum Beispiel in U-Booten eingesetzt werden.

MF: Das besitzt einen gewissen Coolness-Faktor.

Scott: Ja, also… Energie!

Marcel: Die sind nicht nur für U-Boote, sondern auch Panzer!

Scott: Ja, richtig (lacht) und Rennboote.

MF: Und diese Firmen machen ebenfalls Werbung für ihre Produkte? Ich meine, dass sind ja alles Industriekunden oder Staaten.

Scott: Ja, wobei wir nicht direkt Werbung für die machen. Aber sie wollten ein Lied, weil es bei ihnen um Kraft geht. Es sind Hochleistungs-Batterien, und was könnte das besser ausdrücken als schlussendlich unsere Musik? Also auch Power und Energie!

MF: Falls bei einem eurer nächsten Konzerte also mal der Strom ausfällt, habt ihr ein Müsterchen dabei und könntet weiterspielen?

Scott: Das müssten wir eigentlich noch anfordern.

Marcel: Also so ein Batterien-Aggregat neben der Bühne, genau.

MF: Konzerte sind bisher einige angesagt.

Scott: Wir sind gerade am Aufbau der Konzertdaten. Es wird sicher noch einiges dazu kommen. Schaut einfach ab und zu mal rein unter www.crystal-ball.ch - Da sind immer die neusten Sachen drauf. Wir sind im Januar in Boswil, in Sargans und am 1. März 2014 im Z7. Es kommt also sicher noch einiges dazu.