Interview: Cowboy Prostitutes
By Joey
Einmal mehr ist eine neue Band aus Schweden am Start. Seit sieben Jahren treiben die Cowboy Prostitutes ihr Unwesen und sind jetzt drauf und dran, nicht nur Skandinavien, sondern gleich ganz Europa zu erobern. Mit zwei kurz aufeinanderfolgenden Hammer-Alben rocken sie sich in unsere Gehörgänge. Ende Januar 2010 stattet das Quartett Deutschland einen kurzen Besuch für zwei Konzerte ab. Eines davon fand im Szene-Club Paunchy Cats in Lichtenfels im tiefsten Franken statt. Eine Gelegenheit, dass ich mir die vier Originale mal live zu Gemüte führe und gleich Sänger und Bassist Luca Isabelle vors Mikro zerre. Gut gelaunt und noch aufgedreht von einem erfolgreichen Konzert steht er mir Rede und Antwort.

MF: Wart ihr früher mal schon außerhalb von Skandinavien unterwegs? Und wo war’s am besten?

LI: Ja, waren wir. Skandinavien ist langweilig, gegenüber anderen Ländern! (Anm. d. Red.: Wirklich? Meine Erfahrungen sind da anders…) Italien zum Beispiel ist wirklich gut. Wir spielen da im März noch sechs Gigs, das wird toll! Deutschland und Finnland sind auch sehr lustig. In London aber gefällt es mir gar nicht, ich mag die Menschen dort nicht. Wo ich noch gerne spielen würde, ist Spanien. Die Leute dort sollen richtig hart drauf sein. Und aus der Schweiz hört man auch nur Gutes, zu euch würden wir gerne kommen. Wir versuchen überhaupt gerade, ein bisschen aus Schweden rauszukommen. Aber wir hatten Glück mit unserer Booking Agentur, M.A.D., und Sunny Bastards ist ein ganz tolles Label.

MF: Und der Gig heute Abend, hat der euren Erwartungen entsprochen?

LI: Tja, gestern haben wir vor 500 Leuten gespielt, als Support von Deadline (Anm.d.Red.: Londoner Punk-Band). Das war ganz was anderes als heute. Und um ehrlich zu sein, es hat mir schon gefallen! Es ist großartig, vor einem großen Publikum zu spielen und zu versuchen, die Leute für dich zu gewinnen. Wir versuchen, Fans aus vielen verschiedenen Szenen anzusprechen. Gestern waren natürlich viele Punk Rocker dort, heute viele Glam Rocker. Wir wollen aber nicht nur mit der Punk oder Glam Szene assoziiert werden, sondern auch die Heavy Metal Crowd, die Hardcore Fans überzeugen. Aber am Ende, wenn du in einem Club wie dem hier spielst, wo durchwegs Glam Rocker sind, Leute, die meine eigenen Vorbilder mögen, berührt mich das schon irgendwie. Ich denke, genau das sind die Leute, die wirklich alles geben für die Musik. Das Konzert heute hat also das gestrige geschlagen. Es war ein kleinerer Club, eine kleinere Bühne, wir haben geschwitzt wie verrückt. Aber genau das ist Rock’n’Roll für mich! Ich mache Musik, um Leute zu treffen, um Abenteuer zu erleben. Und DAS IST ein Abenteuer! Letzte Nacht hat sich mehr wie Arbeit angefühlt. Das heute hat alle meine Erwartungen übertroffen!

MF: Meine auch, das war richtig Kick Ass, richtig ehrlich

LI: Danke!

MF: Das stimmt also überein mit dem, was ihr auf der Rückseite eures aktuellen Albums „Let Me Have Your Heart“ stehen habt, so von wegen Rebellion…

LI: Darf ich kurz unterbrechen? Darf ich kurz etwas zu diesem „Pressetext“ sagen? Und ich möchte, dass du das auch bringst, ok?

MF: Klar, erzähl! (Anm. d. Red.: Der ist durchaus originell geschrieben!)

LI: Gut, ich habe diesen Text selber verfasst. Und als ich die Worte geschrieben habe, habe ich gedacht: „Was könnte ich schreiben, um wirklich vielen Menschen ans Bein zu pinkeln?“ Genau das glaubte ich, wird auch passieren. Aber ich konnte dann doch nicht glauben, wie viele Leute dann tatsächlich in die Falle gegangen sind! Die sind wirklich reingelatscht! Da draußen gibt’s viele Journalisten, die Reviews über das Album geschrieben haben, aber verdammt noch mal nicht einmal reingehört haben! Die haben einfach den Text hinten drauf gelesen und sich gedacht: „Wer zur Hölle glauben die, dass sie sind?“ Wenn die wirklich wissen wollten, wer wir sind, dann sollen sie ihren Arsch hochbekommen und zu unseren Shows kommen. Dann werde ich ihnen in selbigen treten!
…aber jetzt zu der Sache mit der Rebellion…

MF: Genau, die Rebellion…

LI: Das ist mir auch wichtig, dass ich dazu etwas sagen kann, ich fühl das gerade! Es gibt nicht mehr viele Bands, die sich selber wirklich ausdrücken können, und nicht mehr viele Leute, die wirklich das sagen, was sie sagen wollen. Ich glaube, der Rock’n’Roll heutzutage ist mehr und mehr zu einem Produkt der Plattenfirmen geworden. Und ich will wirklich kein Produkt von irgendetwas sein! Ich spiele lieber vor verdammten fünf Leuten, die wirklich verstehen, wovon ich rede, statt vor 1000, die sich einen Dreck drum kümmern. Solche, die nur mein Aussehen mögen, weil die Plattenfirma einen Haufen Geld ausgegeben hat, dass ich wie Take That aussehe. Für mich fühlt es sich so an, als ob die Bands, die behaupten, Rock zu machen, die alle müssen irgendwo Kompromisse eingehen, bei ihrem Image und bei ihrer Musik. Ich weigere mich, das zu tun! Ich mach das alles nicht wegen dem Geld, ich mach das, weil es mir extrem schlecht gehen würde, wenn ich es nicht machen würde. Ich brauche es, rauszugehen und Rock’n’Roll zu spielen. Weil ich damit aufgewachsen bin, weil ich tatsächlich eine kaputte Kindheit hatte, weil ich dieses „Trouble Kid“ war, weil ich total kaputt war… Rock’n’Roll war also wirklich meine Rettung, und ich will den Leuten zeigen, dass auch sie gerettet werden können.

MF: Fast schon romantisch, der Ansatz!

LI: (lacht)

MF: Jetzt kennen wir also deinen ganz persönlichen Sinn, den du in der Musik siehst. Kannst du uns auch noch ein bisschen über deine Band erzählen, wie du die Cowboy Prostitutes so siehst?

LI: Die Band ist wie… (denkt nach) In den Anfangsjahren sind wir mit Bands wie Crazy Lixx und Babylon Bombs und solchem Zeug verglichen worden. Ich erinnere mich dran, dass ich die Babylon Bombs live gesehen habe, und sie haben alles geschlagen! Eine wirklich gute Band, die verdient, was sie erreicht hat. Aber ich glaube, wir sind mehr. Wir haben mehr, andere Einflüsse in unserer Musik. Ich bin mit Bands wie Faster Pussycat und Guns’n’Roses aufgewachsen. Sowas halt. Unser Drummer ist ein Hardcore Fan. Er steht auf Sick Of It All und das ganze Hardcore Zeug. Unser Gitarrist ist ganz tief in der Thrash Szene verwurzelt. Ich schreibe normalerweise die Songs. Dann sitze ich daheim mit der Gitarre auf meinem Bett. Wenn ich sie dann jedoch der Band vorspiele, schauen sie mich blöd an und meinen, ich könnte mir den Scheiß sonst wohin stecken. Dann werden die Songs umgewälzt und jeder gibt seinen Senf dazu. Das ist es, was die Cowboy Prostitutes ausmacht. Ich denke, wir sind irgendwie originell. Klar, wir spielen Rock’n’Roll, logisch. Aber wir versuchen, in bisschen von allem zu sein. Ich will der Band keine Grenzen setzen. Wir tun, was immer wir tun wollen. Wenn ich morgen entscheide, einen Song zu schreiben wie Marilyn Manson, das werde ich das tun, und ich werde ihn aufnehmen und wir werden ihn verdammt nochmal veröffentlichen. Da ist mir egal, was ihr alle sagen würdet. Es ist mir egal, ob die Leute sagen, wir spielen Glam Rock oder Punk Rock oder was auch immer. Ich schere mich einen feuchten Dreck darum, ich tu was ich will!

MF: Da ist sie wieder, die Rebellion...

LI: Klar, ich rebelliere in allem was ich tue!

Ein eher betrunkener Backstage-Eindringling (BE) unterbricht uns: „SAVE OUR CITIES!!! Please man, save our cities!“

LI: YEAH!!! Magst du diesen Song?

BE: Und wie!!!

LI: Cool, ist auch einer meiner Lieblingssongs! Neben „If The Sky“.

MF: Meiner ist „Pirate Town“. Den habt ihr lustigerweise ja gleich zweimal gespielt heute! (Anm. d. Red. Im Gegensatz zu den andern beiden Songs vom aktuellen Album ist dieser auf dem Vorgänger „Swingin’ At The Fences“ drauf.)

LI: Ja, gute Wahl! Den mag ich auch. Deswegen haben wir ihn ja zweimal gespielt. Hast du den mal genauer angehört? Ich mein…

MF: Hab ich. Da geht’s wider Erwarten ja gar nicht um Piraten!

LI: Genau! Da geht’s darum, einfach mal klar zu machen, dass man mich nicht verarschen braucht, ich schlage zurück!

MF: Da haben wir sie wieder, die Rebellion…

LI: (lacht) Scheint zu einem roten Faden zu werden!

MF: Scheint so. Zum Schluss würde mich allerdings noch eines interessieren: Ihr habt 2003 euer erstes Album rausgebracht, 2008, also fünf Jahre später das zweite und letztes Jahr gleich drauf das dritte. Gibt es einen Grund, wieso ihr zuerst so lange gewartet und dann gleich nachgeschoben habt? Irgendeine Veränderung, Weiterentwicklung in der Band?

LI: Die gibt es allerdings! Das erste Album will ich nicht wirklich ein Album nennen, es ist eher ein großes Demo. Der Sound ist schrecklich. Ich meine, ich bereue nichts, aber irgendwie bereue ich es halt doch, dieses …Etwas aufgenommen zu haben. Aber wir waren ja viel jünger, ich war jünger und viel unerfahrener als jetzt. Damals wollte ich meinen Scheiß unbedingt raushauen, und das war einfach die erste Möglichkeit. „Swingin’ At The Fences“ aufzunehmen hat dann etwas länger gebraucht. Wir haben ein paar Musiker in der Band ausgewechselt, und außerdem hab ich mir mein eigenes Recording Studio aufgebaut, bei uns in Örebro, wo wir herkommen. Dort produziere ich auch lokale Bands. Es hat halt einfach ein bisschen gedauert, das alles zu lernen. Aber ich wollte unbedingt mein Zeug aufnehmen, meine Band selber produzieren. Also habe ich halt gelernt. Als wir dann fertig waren mit den Aufnahmen, haben wir gesehen, dass es tatsächlich Leute gab, die sich dafür interessiert haben, was wir machen! Da waren gleich drei Labels, die das Album gleichzeitig rausgebracht haben, sogar in Japan! Weißt du, wir haben ein verdammtes Label in Japan, das unser Album veröffentlicht hat! Sind zwar ziemliche Nullen, aber das ist mir egal, das Album ist dort erschienen! Japaner sind nämlich geniale Fans, die sollen das auch bekommen! Jedenfalls, nach so viel Interesse an uns - wieso sollten wir nicht gleich das nächste Album nachlegen? Songs waren genug da. Wir schreiben andauernd Songs. Jetzt schon wieder. Wir haben schon wieder etwa 25 Songs, die wir unbedingt aufnehmen wollen!

MF: Tolle Aussichten für die Zukunft, wie’s zusammenfassend ausschaut. Gutes Label, gutes Booking, Songs bereit… Dann hoffen wir mal schwer, bald mehr von den Cowboy Prostitutes zu hören!

LI: Ihr bleibt nicht verschont!

MF: Das war’s dann auch schon, danke für das Interview, Luca!

LI: Danke dir!