Interview: Leo Leoni (Gotthard, CoreLeoni)

By Tinu
 
Tribute an Gotthard.


Leo Leoni, der blonde, quirlige Tessiner an der Gitarre ist seit Jahren bei Gotthard nicht wegzudenken. Eine Band, die 1992 mit dem Debütalbum für Aufsehen sorgte. Der schnörkellose Rock-Sound verzauberte die Hardrock-Gemeinde und zwei weitere Alben folgten, welche die Euphorie und den Stellenwert der Truppe ansteigen liess. «D-Frosted», und die damit verbundene akustische Ausrichtung bescherte dem Fünfer ein Mainstream-Publikum, was für die kommenden Jahre auch wie zu einem musikalischen Korsett für Gotthard und sehr wahrscheinlich auch für Leo wurde. Die Musik wurde zunehmend melodiöser, der Erfolg grösser und das Publikum wechselte von der Hardrock-Gemeinde zu einer «ich-hör-mir-alles-an»-Fangemeinde. Der Tod von Sänger Steve Lee (05. Oktober 2010) riss eine grosse Lücke in das Gefüge von Gotthard, die mit dem Finden von Nic Maeder geschlossen wurde. Auch wenn man weitere Alben veröffentlichte, die rockiger sind, konnte das Delta zu den ersten Werken nie geschlossen werden. Inwieweit dies Leo dazu beflügelte, sich mit CoreLeoni ein «neues Projekt» unter den Nagel zu reissen und welche Aussichten man mit dieser Truppe hat, erzählte Leo.

MF: Wie kam's zu CoreLeoni?

Leo: Das ist eine lange Geschichte…

MF: Ich habe Zeit…

Leo: …sehr gut (lacht). Schon lange wollte ich wieder das alte Programm von Gotthard spielen. Seit 25 Jahren sind wir mit dieser Band unterwegs und die Idee haben wir immer vor uns hingeschoben. Auf der «Bang»-Tour supportete uns die Band von Ronnie Romero, dem Sänger von CoreLeoni. Als Lords Of Black ihren Soundcheck spielten und dabei «Neon Knights» anstimmten, dachte ich nur "verdammt nochmal, dieser Sänger". Ich ging zum Manager und sagte: "Wenn der Sänger «Firedance» singen kann, dann kommt der heute mit uns auf die Bühne". Leider konnte er damals den Song nicht singen, brauchte ein paar Jahre dafür und nun sind wir mit CoreLeoni da (lacht). CoreLeoni ist aber nur ein Spass-Sideprojekt von Gotthard. Dort geht es weiter, und wir starten 2018 die «D-Frosted Part 2» Tour. Beim ersten Teil waren wir sehr lange unterwegs und konnten nur die Akustikgitarre anstimmen. Das wollte ich nicht mehr (lacht), darum auch CoreLeoni, damit wir richtig abrocken können. Es musste ein Ausgleich her (lacht).

MF: Wann hast du zum ersten Mal an CoreLeoni gedacht?

Leo: Die Grundidee stammt aus dem Jahr 1999. Nach «D-Frosted» kam mit «Open» ein sehr poppiges Album raus. Viele Leute haben damals rein gequatscht. Die Marketingleute und die Plattenfirma. Aus diesem Umstand entstand CoreLeoni. Viele Jahre vergingen und wir durchlebten viele Höhen und Tiefen. 2010 ging Steve in die Ferien. Davor sprachen wir über «D-Frosted 2», aber mir war klar, dass ich die härtere Gangart nicht missen wollte. Für mich war die Zeit für «D-Frosted 2» noch nicht reif. Die Idee war, zwei Jahre Pause mit Gotthard zu machen und dass ich eine Soloplatte veröffentliche. Steve kam leider nicht mehr zurück aus den Ferien. So wurden die erste Solo-Scheibe und «D-Frosted 2» verschoben. Die Priorität hatte die Suche nach einem neuen Sänger und Gotthard am Leben zu erhalten. Nun ist die Zeit reif für CoreLeoni und «D-Frosted 2» (grinst). Das ist ein Parallel-Projekt, aus Freude am und für den Rock'n'Roll (lacht)…

MF: …aber CoreLeoni ist der Sound, bei dem dein Herz höher und schneller schlägt?

Leo: Absolut. Klar, gehören da auch Balladen dazu, aber ich bin mir sicher, dass jeder Gotthard-Fan weiss, dass Leo und sein Herz beim Rock sind. Nächstes Jahr im Februar erscheint der Dokumentations-Film von Gotthard. Diese 25 Jahre zeigen genau was Sache ist (lacht). Jeder wird alles verstehen (grinst), und wer es nicht versteht, wird es eh nie verstehen (lautes Lachen). CoreLeoni ist ein Tribut an Gotthard. Von den ersten drei Platten. Wir werden sehen, was sich daraus entwickelt.

MF: Was passiert, wenn CoreLeoni erfolgreich werden? Kommt Leo dann ins Hadern, weil er da seine Liebe ausleben kann und es geiler findet als Gotthard?

Leo: Soweit denke ich nicht! Gotthard ist Gotthard und CoreLeoni ist ein Sideprojekt. Ich hoffe, dass wir damit die Fans begeistern können und die Leute die ersten Lieder hören wollen. Ich bin mir aber sicher, dass die beiden Bands gut nebeneinander leben können. Ausserdem bin ich absolut bereit, am gleichen Abend zwei Sets zu spielen (grinst). Muss ich dann drei Stunden spielen, dann spiele ich die eben (grinst). Auch nach 25 Jahren ist die Energie noch immer da!

MF: Kannst du denn solche alten Klassiker mit der neuen Gotthard-Besetzung und Nic als Sänger heute noch schreiben und aufnehmen?

Leo: Das hängt nicht vom Line-Up ab. Gotthard hat irgendwann eine Strasse gewählt. Zuerst war es heavy Hardrock, dann kamen der Akustikteil und die poppigen Songs und heute ist es Mainstream. Aus diesem Grund konnten wir auch zu Steve's Zeiten nicht mehr die alten Tracks von ganz früher spielen. Der Kopf, beziehungsweise die Strasse, ist nicht mehr die gleiche wie früher. Ich denke, Gotthard haben auch zwei unterschiedliche Arten von Fans. Machbar ist alles, aber du musst das Herz fühlen können für dasjenige, was du tust. Vielleicht musstest du aber auch mal die anderen Jungs von Gotthard fragen (lacht). Ich bin bereit, um wieder die Heavy- und Hardrock-Schiene zu fahren.

MF: Ist der Erfolg von Gotthard auch derjenige, den Leo immer erreichen wollte?

Leo: Ich wollte immer nur rocken (grinst). Alle waren zufrieden mit dem Erreichten. Ich war es nicht, aber nicht wegen des Erfolges, sondern weil ich eine andere Vision der Musik hatte. Trotzdem habe ich immer das getan, was für den Moment wichtig war. Ich bin keine 20 Jahre mehr, sondern zwei Mal 25 (lacht) und ein bisschen mehr. Für diese Art des Hardrocks brauchst du Energie. Ob wir mit Gotthard wieder zu den alten Zeiten zurück kehren… Ich kann es mir nicht vorstellen. Logisch, der Erfolg ist was Schönes, aber ich wollte immer Musik machen wegen meinem inneren Antrieb und nicht wegen des Geldes. Geld ist ein Teil des Erfolges. Hoffentlich haben die alten Gotthard-Fans Freude an CoreLeoni. Ronnie Romero ist ein super Sänger und hat einen starken eigenen Charakter. Mit seiner Wahnsinnsstimme ist er sehr präsent auf der Bühne.

MF: Wie hast du das Line-Up von CoreLeoni zusammengestellt?

Leo: Ich habe Freddy (Scherer, Gitarre Gotthard) und Marc (Lynn, Bass Gotthard) gefragt, ob sie dabei sind. Sie fanden die Idee aber zu nahe bei Gotthard und wollten nicht mitmachen. So kam Jgor (Gianola, ehemals Gotthard und U.D.O.) ins Gespräch. Er spielte die «Dial Hard»-Tour und ist mein Nachbar. Tausend Mal haben wir darüber gesprochen und dann habe ich ihn ins Studio eingeladen. Alles war noch "top secret"! Ich habe ihm die Lieder gezeigt, welche ich spielen wollte, und er war sofort dabei. Logisch, mit CoreLeoni beginnt alles bei null. Aber wir brauchen in der Band Leute, die auf grossen und kleinen Bühnen bestehen können. Ich wollte Musiker in der Band, die wissen was Sache ist und Freude an der Musik haben. Gefällt dir die Musik, bist du dabei. Gefällt sie dir nicht, eben nicht (grinst). So fragte ich Jgor, ob er einen Bassisten kennt, der zwischen Lemmy und Nikki Sixx liegt (grinst). Fünf Minuten später stand er mit Mila Merker vor der Türe. Auf der Tour damals kam ich mit Ronnie ins Gespräch. Als ich hörte, dass Blackmore wieder mit Rainbow unterwegs ist, mit einem neuen und jungen Sänger, war mir sofort klar, dass Ronnie der neue Shouter bei Rainbow ist. Am Ende der «Silver»-Tour von Gotthard war mir klar, dass ich mit CoreLeoni starten musste. Logisch hat CoreLeoni nichts mehr mit meinem Soloalbum und der Idee von 2010 zu tun (grinst). Damals wollte ich neue Lieder schrieben und diese mit verschiedenen Sängern und Musikern aufnehmen. Auch die Songs in unterschiedlichen Sprachen aufnehmen.

MF: Magst du lieber auf den kleineren Bühnen zu spielen?

Leo: Der Druck auf den kleinen Bühnen ist gleich gross wie auf den grossen Stages. Ich habe grossen Spass und verspiele mich auch auf den kleinen Bühnen (lacht). Das ist eben Rock'n'Roll! "Back to reality". Ich muss nicht gross überlegen, was von der Technik alles klappen muss, sondern ich will FUN haben. "Fun is all about!"

MF: Was nun folgt, ist ein Album über Frontiers Records?

Leo: Zuerst kommt die Single raus. «Walk On Water» ist der einzige Track, der nicht aus dem alten Fundus von Gotthard stammt. Die Scheibe wird am 20. Februar 2018 veröffentlicht. Es wird eine «Best Of» von Liedern der ersten drei Gotthard-Scheiben sein. Viele Leute fragen, wieso ich das mache. Die Antwort ist simpel. Vielleicht verkaufen wir nicht viele Alben, aber wenn jemand ans Konzert kommt, es gefällt ihm was er sieht, dann will er auch einen Tonträger kaufen. Da hat sich zu früher nichts verändert. Du willst nicht die Songs eines anderen Line-Ups hören, sondern in der Form, wie du sie soeben gesehen hast. Sie wollen Ronnie hören, denn Steve ist leider nicht mehr unter uns, und Nic wollte nicht mitmachen. Alles wurde neu aufgenommen. Uns war die Energie wichtig, und so haben wir wie früher aufgenommen, live im Studio.

MF: Was sind die Pläne für die Zukunft?

Leo: Wir spielen diese Warmup-Shows, dann folgen im Sommer die Festivals, wie das «Rock The Ring». Der Rest bleibt eine grosse Überraschung, und wir werden sehen, was alles passiert (grinst). Dazwischen haben wir die «D-Frosted 2»-Shows mit Gotthard und Nic und ich gehen mit «Rock Meets Classic» auf Tour. Es gibt viel Fleisch auf den Grill (lacht).

MF: Wie hat sich Leo über all die Jahre verändert?

Leo: Puh… Keine Ahnung. Habe ich mich verändert? Gute Frage… Ich glaube… Früher… Da war ich frech, und heute bin ich noch frecher geworden (lacht). Ich sehe Dinge aus einer anderen Perspektive an. Was sich nicht verändert hat, wenn ich an etwas glaube, dann ziehe ich es bis zum Schluss durch. "I can't leave, if I don't try, 'til the last point, what I wanna do", sonst kann ich nicht mehr schlafen (grinst). Dies würde ich allen jungen Leuten, die etwas erreichen wollen, als Tipp mitgeben. Egal, ob dies im Sport oder der Musik ist. Ah ja, dann bin ich älter geworden oder weiser (lacht).

MF: Danke für das Interview, es hat Spass gemacht!

Leo: Danke dir.