Interview: Children Of Bodom
By Kissi
Über fünf geschlagene Jahre ist es her, als Metal Factory 2001 COB-Basser Henkka Blacksmith zum informativen Gespräch traf. Damals gerade mal „Hatebreeder“ veröffentlicht und nur schon glücklich darüber, live spielen zu dürfen, haben sich die fünf Jungs aus dem Land der Seen zu einer der angesagtesten Metalbands Europas gemausert. Höchste Zeit also, wieder einmal mit den finnischen Parademetallern zu schwatzen, und so traf Metalfactory Bandkopf Alexi Laiho (AL) nach deren Konzert im Rahmen der „Unholy Alliance Part II“-Tour in Winterthur. Dabei entlockten wir dem kleinen Schreihals und Saitenschrammler allerlei Wissenswertes über die erste, kürzlich veröffentlichte DVD der Finnen, „Chaos Ridden Years… Stockholm Knockout Live“, unerbittliches Touren und die Zukunft der Band.

MF: Erst einmal: Gratulation an dich, ihr habt wie immer eine souveräne Show gespielt. Wie war’s für dich?

AL: Es war wirklich gut, Mann. Wir sind total zufrieden mit dem Publikum. Jedesmal, wenn wir bisher in der Schweiz gespielt haben, und das müssten jetzt schon um die siebenmal gewesen sein, da haben wir immer im Z7 gespielt und heute war es das erste Mal wo anders. Ich weiss gar nicht, ist Winterthur in der Nähe vom Z7?

MF: Naja, während Pratteln ganz im Nordwesten der Schweiz liegt, sind wir hier weiter südöstlich, mehr in der Mitte, aber in der Schweiz ist alles relativ nahe beieinander.

AL: Jaja, aber es ist dennoch ein wenig weit weg. Und das ist eine coole Sache für uns, dass wir in einer anderen Stadt spielen können und mit einem solchen Bandpackage ändert natürlich auch die Grösse des Veranstaltungsortes. Gerade gegen Ende des Sets hatte ich das Gefühl, dass das Publikum wirklich Spass hatte und abging. Es war wirklich stark.

MF: Ich denke, gerade die jüngeren Zuschauer waren vor allem wegen euch und In Flames da, die jüngeren Metalheads kennen euch wohl besser als Slayer.

AL: Denkst du wirklich? Das ist komisch, Mann, aber auch ein grosses Kompliment. Wir haben schon vermehrt jüngere Fans.

MF: Seit dem Sommer tourt ihr mit Slayer. Wie ist es, mit einer der grössten Metalbands ever live unterwegs zu sein?

AL: Es ist einfach verdammt grossartig! Die Sommertour durch die Staaten war fast jeden Abend ausverkauft, und es war auch das erste Mal dass wir so tourten, immer ein grosses Publikum, riesige Hallen... Die Produktion ist ungeheuerlich. Alles ist einfach so neu und beeindruckend. Wir denken nur immerzu: "Verdammt noch Mal! Wir touren mit Slayer!" Und mit Lamb of God, die eine Hammer-Liveband sind, Mastodon (die auf dem US-Teil der „Unholy Alliance“-Tour dabei waren - Anm. d. Verf.) und mit Thine Eyes Bleed. Und auch die ganze Slayer-Crew, das Management und alle waren wirklich grossartig und verdammt nett zu den Opening-Acts. Niemand wurde wie Dreck behandelt, Slayer benehmen sich überhaupt nicht wie egomanische Rockstars. Jeder hatte einfach riesigen Spass, und deswegen mussten wir auch unbedingt auf diesem Teil dabei sein.

MF: Mitte Oktober habt ihr noch einen Abstecher ans Loud Park Festival unternommen, an den grössten Metal-Event in Japan. Wie war’s dort so?

AL: Japan ist immer fabelhaft. Dieses Mal war es aber nicht wirklich stark, also unsere Show. Das nervt, wir waren wirklich nicht so gut, aber - Ich will das jetzt nicht weiter ausschildern... Wir hatten Problem mit der Technik usw., Sachen, die halt jedem passieren an Festivals, aber das ist keine grosse Sache. Persönlich habe ich einfach das Gefühl, dass ich scheisse gespielt habe. Ich konnte dem Publikum einfach nicht das Beste geben. Das Publikum war schon toll, es war auch eine riesige Halle und ausverkauft aber... Naja...

MF: Hast du am anderen Tag irgendwelche Bands angeschaut? Dio, Megadeth und massig andere Bands waren ja auch da.

AL: Nein, ich war da nicht vor Ort, da ich immer noch angepisst war von unserer Show...

MF: Ok, genug Loud Park. Vergleiche bitte das amerikanische, das japanische und das europäische Publikum miteinander. Welche Unterschiede, welche Gemeinsamkeiten gibt es?

AL: Amerikanische Fans stehen eher so auf, ich will jetzt nicht das Wort „Gewalt“ verwenden - sie sind aggressiver. Sie stehen eher auf wirklich kranke Circle Pits und solchen Kram, moshen und so. Europäer stehen da eher auf Mitsingen usw. Japan ist da wieder ganz anders, das kann man nicht mit den anderen Fans vergleichen. Dort betrachten sie Bands, als wären das alles verdammte Götter. Als wir das erste Mal da waren, dachte ich: „Wow, das ist ja abgedreht!“ Das ist auch der Grund, warum alle Bands immer wieder so gerne dort touren gehen. Gerade all die 80er Metalbands sind dort immer noch ganz gross, und das ist einfach fantastisch.

MF: Erinnerst du dich an ein wirklich abgedrehtes Ereignis dort?

AL: Ok, die Frage ist nur, ob du das im positiven oder negativen Sinn meinst. Das Coolste aber, was mir je in Japan passiert ist, geschah während der Tour zu „Hate Crew Deathroll“. Wir begannen da und eröffneten in Japan für Rob Halford. Wir spielten sechs oder sieben Shows, und bei der letzten fragte mich Rob Halford, ob ich mit ihm „Living After Midnight“ von Judas Priest mit ihm live spielen wolle und ich sagte natürlich zu. Da stand ich dann auf der Bühne mit dem Metalgod und spielte einen Rockklassiker und er sang und poste... Das war einfach genial.

MF: Kommen wir zu eurer aktuellen Veröffentlichung, eure erste Live-DVD „Chaos Ridden Years... Stockholm Knockout Live“. Warum habt ihr euch so lange Zeit gelassen, einen Konzertmitschnitt zu veröffentlichen?

AL: Es hat schon lange gedauert, aber ich glaube, wir haben die Zeit benötigt. Jetzt ist der rechte Moment gekommen, ich bin ziemlich stolz auf die DVD. Natürlich hätten wir schon vorher eine Show mitschneiden und veröffentlichen können, einfach das Konzert, aber das wollten wir nicht. Bei „Chaos Ridden... “ hast du nicht nur die Show und das war’s, sondern noch ganz viele andere Sachen: Alle verdammten Videoclips, „Behind The Scenes“-Material, Galerien und eine riesige Dokumentation mit Material aus unserer Kindheit, aus den Anfängen und allen anderen Abschnitten der Bandgeschichte. Enthalten ist auch eine Biographie von jedem Mitglied, aber auch wie wir uns nach einem Gig betrinken und uns wie Idioten benehmen und Blödsinn anstellen. Es ist sowohl ein Tourreport als auch eine Dokumentation und eine Biographie. Es ist ziemlich offen und extrem ehrlich, und das ist das, was die DVD wohl am Interessantesten macht. Man erfährt darauf, wie und wer wir wirklich sind. Das hat halt eben Zeit gebraucht, und die wollten wir uns aber auch nehmen. Es gibt so viele DVD-Veröffentlichungen von Bands, die genau nur eine Show enthalten und nichts Anderes.

MF: Zum Beispiel?

AL: Oh nein, das kann ich nicht machen. Die Bands sind ja eben geil und das ist gerade das, was uns enttäuscht hat. Und darum wollten wir wirklich etwas Vielfältiges machen, unveröffentlichte und unbekannte Seiten von uns zeigen, die unsere Fans bisher noch nicht kannten. Wie viele Leute haben zum Beispiel schon ein Foto von mir gesehen, wie ich als Siebenjähriger Geige spiele? Solches Material kann man auf „Chaos Ridden... “ eben sehen.

MF: Ihr habt die DVD „Chaos Ridden Years... “ genannt. Seht ihr so eure gemeinsame Zeit als Band?

AL: Ich denke, „Chaos Ridden Years... “ bezeichnet ziemlich gut die letzten paar Jahre unseres Lebens, was uns alles geschehen ist, was wir alles erlebt haben. Aber schlussendlich passt es auch zu meinem ganzen Leben und auch zu dem der anderen Jungs, glaub ich. Wir begannen so richtig 1997, da begannen wir richtig zu touren und seither ist einfach verrückt, es waren und sind wirklich chaotische und auch geile Jahre. Ich meine, wir nehmen die Scheisse wirklich ernst, wir gehen raus auf die Bühne, wissen wie wir unsere Sache machen müssen und wollen immer unser Bestes geben. Wir versauen unseren Job nicht. Wenn dann aber die Show vorbei ist, drehen wir halt völlig ab, trinken Unmengen und feiern die Nacht durch.

MF: Aber immer nur nach der Show?

AL: Ja, dafür jede Nacht, gestern auch zum Beispiel. Vor der Show nichts, umso mehr dafür danach, haha!

MF: War die aufgezeichnete Show extra dafür gedacht, aufgezeichnet zu werden und warum habt ihr keine Show in Finnland dafür ausgesucht?

AL: Natürlich war es geplant. Wir haben das Ganze mit 18 Kameras aufgenommen und natürlich kriegst du die nicht einfach so herbeigezaubert. Wir hatten eine gut Crew, die schon einige DVDs produziert hatte. Das Problem war zuerst einfach, dass wir keinen geeigneten Ort finden konnten. In Helsinki zum Beispiel gibt es einfach Clubs für 500 Leute und das nächst grössere ist dann eine verdammte Eishockeyhalle für 8 oder 10'000 Menschen und das ist einfach zu gross für uns. In Stockholm fanden wir dafür einen passenden Club, in den wir so um die 2'000 Fans hinein brachten. Das ist auch einer der Gründe, warum wir es nicht in Finnland machten, sondern in Schweden. Dazu kam noch, dass die DVD ja ein weltweites Release darstellt, also musste ich die Ansagen auf englisch machen und ich rede verdammt noch mal nicht englisch, wenn wir in Finnland spielen, das ist einfach zu blöde. Ich würde mich wie ein verdammter Vollidiot fühlen. Mit den finnischen Fans spreche ich einfach auf Finnisch und Stockholm war der nächste, für uns internationale Ort, um dies zu tun.

MF: So viel ich weiss, geht’s für euch, nach der „Unholy Alliance“-Tour, gleich wieder zurück in die Staaten, wo ihr mit Amon Amarth spielen werdet. Seid ihr nie müde oder erschöpft vom ständigen Reisen und Spielen? Ihr habt ja schon den ganzen Sommer über getourt.

AL: Also auf Tour sind wir schon seit, ich weiss nicht genau, September 2005. Wir spielen jetzt seit 13 Monate ohne Unterbruch, und das ist schon anstrengend, aber wir machen jetzt noch die US-Tour bis Weihnachten und dann wär’s das mit der „Are You Dead Yet?“-Tour. Und ich glaube, wir haben damit so ziemlich jeden Ort auf der Welt abgedeckt, denn wir haben fast jeden Abend irgendwo gespielt. Aber es hat natürlich riesigen Spass gemacht! Live spielen, Party machen und das das ganze Jahr über: Es ist einfach ein Traum, der in Erfüllung gegangen ist! Es waren absolut grossartige Konzerte darunter, in Hallen, deren Grösse wir uns nie hätten träumen lassen. Gerade mit auf der „Unholy Alliance“-Tour, wo wir ein viel grösseres Publikum, vor allem in den Staaten, erreichen konnten und auch ein Publikum, das uns normalerweise nicht hört oder noch nicht kannte. So konnten wir, hoffentlich, viele neue Fans klar machen, ihnen zeigen, dass wir wissen, wie man rockt.

MF: Zweitletzte Frage: Welche Pläne habt ihr für nächstes Jahr? Was macht ihr nach der US-Tour?

AL: Dann gehen wir zuerst wieder einmal nach Hause, Weihnachten feiern usw. Wir haben dann etwa einen Monat Pause, während dem wir einfach nichts machen. Ende Januar, Februar beginnen wir dann hoffentlich, am neuen Album zu schreiben. Dann steh ich jeden Morgen auf, verbunkere mich mit einer Gitarre und meinem Vierspur-Aufnahmegerät in einem Zimmer bis 19.00 Uhr und schreibe. Wir planen, im Juni oder Juli dann ins Studio zu gehen, und das Album sollte dann nächsten Herbst erscheinen, dann wären genau zwei Jahren vergangen zwischen „Are You Dead Yet?“ und der nächsten Scheibe, wie sie auch immer heissen wird. Und dann geht es dann wieder für ein Jahr auf Tour, es ist ein ewiger Kreis, Mann!

MF: Wo werden Children Of Bodom in 5 Jahren stehen?

AL: Oh Mann... Ich weiss nicht! Das sind Dinge, die mich nicht interessieren! Ich denke nie über die Zukunft nach, in keinem Teil meines Lebens. Alles was gerade geschieht ist das, was ich will, ich mache keine langfristigen Pläne. Ich mag’s, wenn ich nicht weiss, was geschehen wird. Ich würde ja schon gerne jemanden treffen, der mir sagen kann, dass wir in 10 Jahren so gross sein werden wie Metallica, aber ich erwarte einfach nichts von der Zukunft, so kann man auch nicht enttäuscht werden. Wenn man sich keine Hoffnungen macht, ist alles Gute, was geschieht, einfach der Hammer. Optimismus ist gefährlich, Mann!

MF: Meine übliche, letzte Frage: Was verbindest du mit der Schweiz, und welche Erinnerungen hast du an sie?

AL: Ich verbinde wirklich gute Erinnerung mit der Schweiz. Zwar haben wir bis auf heute nur im Z7 gespielt, aber das ist sicherlich einer meiner absoluten Lieblingsclubs in Europa. Bei allen sieben Konzerten, die wir dort gespielt haben, war das Publikum der Hammer, gerade letztes Mal, an Silvester war es eine riesige Party, die einfach allen Spass gemacht hat. Das Land selber konnte ich noch nicht wirklich sehen, wir haben ja nur in Pratteln gespielt, und dieses Dorf ist ja nicht gerade ein Tourismus-Highlight, aber ich mag die Leute hier sehr, die sind einfach immer freundlich und so, du bist ja auch ein Teil von denen, hahaha...

MF: Danke für das Kompliment und für das ganze Interview, ich hoffe, ihr werdet bald wieder in der Schweiz spielen.

AL: In einem Jahr vielleicht wieder, wenn die neue Scheibe draussen ist, da werden wir wohl wieder einmal im Z7 sein.