Interview: Black Star Riders

By Tinu
 
Respekt vor Phil Lynott und Thin Lizzy.


Es gibt Begegnungen im Leben, die hinterlassen Spuren. Einerseits, weil sie dermassen positiv ausgefallen sind oder andererseits, weil man sich nicht mehr daran erinnern will… Das erneute Zusammentreffen mit Damon Johnson gehört definitiv zur ersten Kategorie. Der ehemalige Alice Cooper-Klampfer und Solo-Artist hat schon einiges in seinem Leben erfahren und scheut sich auch nicht, die eher unliebsamen Dinge im Interview anzusprechen. Mit welchem Witz und mit welcher Offenheit sich Damon aber präsentierte, sucht Seinesgleichen. Die Zeitreise im folgenden Gespräch umfasste nicht nur seine Zeit beim «Prince Of Darkness», sondern auch seine neue Heimat, die Black Star Riders. Musikalisch ist der Ami heute dort gelandet, wo für ihn grundsätzlich alles begann… und das Interview startete Damon bereits nach der Begrüssung, ohne die erste Frage abzuwarten…

Damon: Heute wird es einen historischen Abend für die Schweiz geben. Zwei wirklich tolle Bands werden auf der gleichen Bühne spielen, und sie befinden sich in einer bestechenden Form. Europe haben ein wirklich sensationelles Werk veröffentlicht, und wir haben wahrscheinlich unser bestes Album abgeliefert. Und das sagt einer, der den ganzen Prozess miterlebte (grinst) und eigentlich wissen sollte, wo Probleme aufgekeimt sind. Zudem haben wir die wohl beste Setliste zusammengestellt, die man sich von uns wünschen kann. Alle drei bisherigen Scheiben repräsentieren die Black Star Riders und zeigen auch die Entwicklung, welche wir als Band durchlebten. Wir haben unterschiedliche Tempi in das Set eingebaut, und so erhält das Konzert einen ganz unterschiedlichen Flow. Wir stehen auf der Bühne, lachen uns an und alle sind glücklich (grinst zufrieden).

MF: Bevor du bei Thin Lizzy eingestiegen bist, warst du bei Alice Cooper. Wie kam's dazu?

Damon: In Alabama arbeitete ich an kleineren Projekten. Eric Dover (ehemals Gitarre bei Alice), ein sehr guter Freund von mir, rief mich an, weil er den Fokus auf seine Solo-Geschichte richten wollte. Dieser Anruf kam wie aus dem Nichts (grinst). "Hey, ich werde Alice verlassen und hab ihm gesagt, dass du der Richtige bist. Alles was du zu tun hast, komm zum Vorspielen vorbei» (grinst). Zuerst dachte ich, der Typ will mich vollkommen verarschen (lacht). Eine Woche später rief mich der Tourmanager von Alice an. So flog ich zu den Auditions und sah dort fünf oder sechs andere Gitarristen, die auch vorspielten. So stand ich da mit meinem T-Shirt sowie in Jeans und sah mich den anderen gegenüber, die aussahen, als wollten sie bei einem Guns n' Roses Videodreh mitspielen (lautes Lachen). "Fuck", dachte ich nur. Niemand erzählte mir, dass so was wichtig gewesen wäre. Zu Hause habe ich geübt wie ein Blöder. Ich zweifelte nicht, dass ich die Lieder nicht spielen könnte. Aber, dass man sich einem Dresscode unterwerfen musste (lacht), wusste ich nicht. Ich ging ja davon aus, dass die Jungs die Lieder genauso gut spielen konnten, wie ich. Aber das taten sie nicht (grinst). Alice war selber nicht beim Vorspielen dabei. Ich war der Letzte der vorspielte, da ich mit vier Stunden Flugzeit den längsten Anfahrtsweg hatte. Im Vergleich zu diesen L.A.-Komikern (grinst). Einige Tage später rief mich Alice an und meinte: "Ich sah die Videos, worin du gespielt und gesungen hast. Du bist grossartig". Eric Dover, du bist grossartig und besten Dank, dass du mich bei Alice ins Spiel gebracht hast. Das hat mein Leben verändert. Bevor ich bei Alice einstieg, spielte ich in lokalen Clubs, und plötzlich stand ich auf diesen unglaublich grossen Bühnen auf der ganzen Welt (grinst). Dies hat meine komplette Karriere beflügelt. Ich übte wie blöd und wollte ein noch besserer Gitarrist werden, denn wer möchte schon auf solchen Bühnen stehen und versagen (grinst)? Alice ebnete mir die Möglichkeit, später bei Thin Lizzy einzusteigen. Ohne die Zeit bei ihm, wäre ich nicht für die folgenden Aufgaben bereit gewesen.

MF: Magst du mehr die grossen Shows von Alice oder spielst lieber eine ganz einfache Rock'n'Roll-Show?

Damon: Der grosse Unterschied ist, dass Black Star Riders meine Band ist (grinst zufrieden), und da spiele ich meine Lieder. Wie sagt Robbie Crane so schön? Wir sind die eigenen Operators. Das ist unsere Firma. Alice war unglaublich. Ich liebe seine Tracks und wuchs mit ihnen auf. Ich habe sie einige Jahre gespielt, aber mit der Zeit hat sich alles immer gleich angehört, musikalisch gesehen. Ich wollte aber wieder Tracks schreiben, die für mich waren. Mir war klar, dass ich nicht bis an mein Lebensende bei Alice bleiben würde, da sich der Fokus wieder auf meine Solo-Karriere richtete. Als Thin Lizzy und Scott Gorham auf mich zutraten, war dies eine sehr interessante Angelegenheit. Damals war nicht abzusehen, dass wir Black Star Riders gründen würden. Ich vermisse aber jeden Tag die tollen Hotelzimmer, und ich vermisse diese Business-Class Flüge (lacht). Von Amerika aus, wohin auch immer (grinst). Ich vermisse all diese tollen Dinge. Solltest du dies lesen Alice… Och! Ich will wieder so einen Business-Class Flug wie damals 2010 (lacht). Trotzdem bin ich heute sehr, sehr glücklich und dankbar. Hey, mit den Black Star Riders sind wir auf einem guten Weg und spielten schon unzählig tolle wieauch sehr grosse Shows. Unser Name wird bekannter und der Ruf immer besser und grösser.

MF: Wenn du all die tollen Dinge vermisst, wieso hast du dann Alice Cooper verlassen?

Damon: Ich bekam einen Anruf von Thin Lizzy. Viele kleine Umstände führten dazu, dass Richard Fortus Vivian Campbell an der Gitarre ersetzte. Als Richard zu Guns n' Roses zurück kehrte… Wir spielten mit Alice eine Show, zusammen mit Def Leppard und Thin Lizzy. So kam das Ganze ins Rollen. Einige Musiker der Alice Cooper-Band sprachen Richard darauf an, dass ich die Thin Lizzy-Tracks perfekt spiele. Als mich Thin Lizzy anriefen, beriet ich mich mit meiner Frau. Der Zeitpunkt war völlig ungünstig, da ich gerade mitten in einer Tour mit Alice steckte. Ich wollte Alice nicht verlassen, ihn nicht im Stich lassen und in eine blöde Situation bringen. Meine Frau meinte nur, dass Alice vierzig Gitarristen haben wird, die nur darauf warten, von ihm angerufen zu werden (lacht). "Wenn du nicht bei Thin Lizzy einsteigst, wirst du das für den Rest deines Lebens bereuen!" Und sie hatte sowas von Recht! Aber genau dies musste ich hören, damit ich den nächsten Schritt tat.

MF: Welche Erinnerung hast du an die ersten Bandprobe oder das erste Konzert, zusammen mit Thin Lizzy?

Damon: Das war sehr emotional für mich. Als ich begann die Musik von Alice zu hören und damit aufwuchs, waren Thin Lizzy was völlig anderes für mich. Sehr leidenschaftlich. Die Gitarren, der Gesang, die Texte und die Arrangements. Keine andere Band hat mich in meiner Karriere jemals mehr beeinflusst als Thin Lizzy. Die erste Probe war unglaublich aufregend. Ich sollte mit Scott Gorham und Bryan Downey in der gleichen Band spielen! Ich kann dir nicht beschreiben, wie aufregend dies für mich war. Das erste Konzert… Ich war so glücklich mit den Jungs auf die Bühne zu gehen und konnte nicht glauben (grinst), dass ich mit ihnen auftreten würde. Da war das Thin Lizzy-Logo. Bryan wärmte sich auf. Es gab diesen Moment, da musste ich meinen Atem anhalten und Ricky (Warwick, Gesang und Gitarre Thin Lizzy und Black Star Riders) schlug mir dabei auf die Schulter und sagte: "Alright man, are you ready to rock?" Ich war glücklich, diesen Schritt getätigt zu haben. Nach dem Konzert kamen Scott und Ricky zu mir und schlugen vor, dass ich permanent in die Band einsteigen sollte.

MF: Wo siehst du die Unterschiede zwischen Black Star Riders und Thin Lizzy?

Damon: Bei Thin Lizzy spielten wir einige der grössten Rock-Songs aller Zeiten. Alle im Publikum kannten diese Lieder! Mit Black Star Riders haben wir von Grund auf was Neues erschaffen. Mit kleinen Schritten steigen wir Stufe um Stufe höher. Rein von der Leidenschaft her unterscheiden sich die beiden Truppen kaum. Scott hat eine tolle Zeit in der Band und verbindet viel mit den beiden Combos. Er ist sehr stolz, was Neues kreiert zu haben und nicht mehr jeden Abend die gleichen Songs spielen zu müssen. So grossartig, wie sie auch immer noch sind! Scott weiss aber auch, dass Thin Lizzy ohne Phil Lynott nie mehr das Gleiche sein wird. Ricky wusste, dass er Phil niemals ersetzen kann, auch wenn er einen sensationellen Job abliefert. Dafür ist der Respekt zu gross, auch wenn er die Lieder sehr gut interpretiert. Er singt die Tracks intensiver und leidenschaftlicher als sonst jemand. Als wir mit unserem Album «Heavy Fire» starteten, stellten wir fest, dass sich bei Black Star Riders alles auf einem anderen Level bewegte. Viel mehr Leidenschaft, wenn wir Refrains schrieben. Es war eine andere Art, wie wir die Songs schrieben. Stehen wir auf der Bühne, performen wir die Lieder immer gleich. Stehen da 100 oder 10'000 Leute vor uns. Aber wir merken, dass die Leute uns besser kennen. Jahr für Jahr werden es mehr, und das macht diese Reise so intensiv. Alles wird grösser und grösser und die Gemeinschaft wächst. Dies macht alles sehr aufregend. Letztes Jahr haben wir eine Handvoll Thin Lizzy-Shows gespielt. Das war richtig geil, und Scott hat diese Gigs sehr genossen. Es war eine Ehre für Ricky und mich dabei zu sein. Aber danach lag der Fokus wieder auf Black Star Riders.

MF: Wie schwer war der Start für euch, da die Leute nicht wussten, wer sich hinter Black Star Riders verbirgt?

Damon: Es bedarf einer grossen Arbeit unseres Managements und unserer Plattenfirma (grinst), um der Öffentlichkeit zu zeigen, wer wir sind. Zum Glück besassen Thin Lizzy viele Beziehungen im Musikbusiness, bei der Rockpresse und den Radiostationen. Sie alle waren sehr glücklich, dass wir Thin Lizzy in einer neuen Form weiterleben liessen. Zeitgleich machte uns dies auch sehr glücklich. Wir sind den Thin Lizzy-Fans und dem Erbe davon sehr dankbar, dass sie uns den Start so vereinfachten. "Hey, ihr wollt Thin Lizzy, dann hört euch nun Black Star Riders an!" Wir spielten unser neues Material, aber auch ein paar Klassiker aus der Thin Lizzy-Zeit. Ich möchte nicht behaupten, dass wir zu Beginn nicht nervös waren, und Angst hatten, dass uns die Fans nicht akzeptieren würden. Aber die Reaktionen und die Antwort auf uns waren sehr positiv. Dies hat uns zusätzlich einige Türen geöffnet.

MF: Wieso hat euch dann Jimmy DeGrasso (Drums) verlassen?

Damon: Alle wissen, dass Jimmy ein Fünf-Sterne Schlagzeuger ist. Sein Handy klingelte ständig, und er bekam unzählige Angebote. Er hat eine eigene Familie, wie wir alle auch. Trotz oder wegen all den Angeboten wollte er einfach mehr Zeit mit seinen Kindern verbringen. Das Schlagzeugspielen wollte er jedoch nicht aufgeben, aber nur noch in den USA spielen und nicht mehr so viel im Ausland auftreten. Niemand verstand ihn besser, als ich. Es ist lustig, mein Manager lebt in der Angst, dass mich Alice Cooper wieder anrufen könnte. Hey, ich liebe Alice und ich war lange Zeit ein Part dieser Familie. Aber bei Black Star Riders habe ich ein neues Zuhause und eine neue Familie gefunden. Es war der richtige Zeitpunkt für Jimmy, gewisse Dinge zu ändern. Es gibt kaum jemanden, der von diesem Planeten die Drum-Parts von Black Star Riders dermassen geil einspielen könnte, wie er. Trotzdem sind wir froh, dass Chad Szeliga unser neuer Trommler ist. Er hat die Attitüde, dass er die Parts von Jimmy sehr respektvoll spielt. Jimmy hat uns geholfen, einen hohen Standard zu gehen. Das wiederum ist eine grosse Gelegenheit für Chad, sich auszuzeichnen. Jimmy und ich waren schon lange, bevor wir bei BSR spielten, dicke Freunde. Ich vermisse ihn, aber ich bin glücklich, dass er seinen Weg gefunden hat.

MF: Wie wichtig ist die Balance zwischen Privatleben und Musik?

Damon: Es ist wichtiger geworden denn je. Ricky, Robbie und ich haben kleine Kinder. Eine neue Band zu starten, mit so jungen Kindern zu Hause, ist sehr schwierig. Denn bist du 20 Jahre jung, bist du Single und legst den Fokus nur auf den Rock'n'Roll! "Black Star Riders können die grösste Band in der Welt werden", wären dann die Schlachtrufe (grinst). Wir konnten die Truppe weiterbringen, auf Tour gehen und dabei auch Südamerika oder Australien bereisen. Touren, arbeiten und aufbauen. Niemand will dies tun oder kann's tun, wenn deine Familie dich nicht unterstützt. Denn sie ist das Wichtigste in deinem Leben, die grösste Priorität. Ich bin stolz darauf, dass wir eine Balance gefunden haben, dass unser Management, die Booking- und Plattenfirma verstehen, dass wir unsere Zeit für und mit unseren Familien brauchen. Ich könnte keine 200 Shows im Jahr spielen. Das klingt vielleicht traurig, denn ich liebe meine Arbeit. Es ist sehr schwierig, die Ausgeglichenheit zu finden. Aber ich bin mir sicher, dass wir sie gefunden haben. Scott hat keine Kinder, aber er versteht und respektiert uns. Ich bin mir aber auch sicher, dass er keinen Bock mehr hat, diese verrückten Konzertreisen zu machen (lacht).

MF: Was war für dich früher wichtig, und was ist es heute?

Damon: Das ist eine grossartige Frage… Wenn du mich dies heute fragst und ich denke zurück… Ich verschwendete eine Menge Zeit damit… Es gibt so viel Zerstörung in diesem Geschäft und Egos können alle Türen öffnen. Ich bin glücklich, dass ich nie mit Drogen oder Alkohol zu kämpfen hatte. Klar habe ich mal etwas getrunken, aber ich hatte nie ein Problem mit diesem Dämon. Frauen waren in den neunziger Jahren hingegen ein Problem für mich. Ich verschwendete so viel Zeit mit ihnen und hätte stattdessen besser über Songs nachgedacht, die ich hätte schreiben können (grinst). Heute geniesse ich, zusammen mit meiner Familie, ein schönes Leben. Ich bin glücklich und kann all dies tun, was ich immer wollte. Mit Ricky habe ich den besten Partner und Songwriter, den ich mir wünschen kann, an meiner Seite. Seine Disziplin ist unglaublich und entspricht meiner. Die Motivation, neues Material zu komponieren, baut auf einer unglaublichen Chemie auf. Ich will weiterhin diesen Weg gehen, und wir wollen drei weitere Scheiben in den nächsten vier Jahren veröffentlichen (lacht). Es gibt keine Garantie, auf welchem Level wir dies tun können, aber ich kann dir versprechen, dass das nächste Album grossartig werden wird. Aus dem einfachen Grund, weil wir uns alle entwickelt haben und besser geworden sind. Es ist ein tolles Leben, das ich geniessen darf.

MF: Danke für das Interview…

Damon: …Martin, es war mir ein Vergnügen. Danke mein Bruder, das waren wirklich grossartige Fragen. Ich habe es sehr genossen, mit dir zu plaudern!