Interview: Axxis

By Tinu
 
Kritik am heutigen Musik Konsum.



Bernhard Weiss, der Sänger von Axxis, gilt nicht nur als entfesseltes Energiebündel auf der Bühne, sondern auch als redseliger Entertainer. Diese euphorische Quassel-Onkel-Mentalität überträgt sich auch immer auf die Interviews. Dadurch werden die Gespräche nie langweilig, sondern behalten dank der entwaffnenden Offen- und Ehrlichkeit immer ein sehr natürliches Flair. Das neue Album «Monster Hero» erreichte im letzten Soundcheck auf unserer Homepage den ersten Platz. Grund genug, Bernhard zu fragen, was die Jungs denn schlürften, dass das Werk dermassen geil wurde. Dass der Shouter auch über den Bandnamen, seinen Kulturaward und die momentanen Gegebenheiten von Amazon berichtete, rundete das Interview ab. Wie auch die Geschichte von einem kleinen Jungen, der von der Truppe auf die Bühne geholt wurde und vor lauter Aufregung auf die Bühne kotzte. Dies wird hoffentlich am 17. November 2018 nicht passieren, wenn Axxis in Aarburg in der Musigburg gastieren.

MF: Was zum Geier habt ihr getrunken, dass «Monster Hero» so ein Monster geworden ist?

Bernhard: Keine Ahnung! Es gibt immer wieder Themen, die raus stechen. Wie auch beim Vorgängeralbum «Retrolution». Gerade in der heutigen Zeit wird alles Alte wieder kopiert und neu gemacht. Früher wollten wir das Rauschen bei den Aufnahmen unterdrücken. Heute haben wir dies dank der Digitalisierung und bauen es wieder ein, dass es so richtig schön knistert. Das ist eigentlich eine komische Situation, die ich nicht nachvollziehen kann. Oder jetzt mit «Monster Hero». Ein kontroverser Titel. Auf der einen Seite hast du das Monster und auf der anderen Seite den Hero. Dabei haben wir versucht aufzuzeigen, was in vielen Bereichen zuerst gut war und dann zu etwas Schlechtem wurde. Nimm Facebook. Die Idee war super. Leute auf der ganzen Welt miteinander zu verbinden. Am Schluss wurde das Ganze zu einer Krake, welche die Leute beeinflussen kann, was sie wählen sollen. Was am Anfang der Held war, wurde dann zum Monster. Oder Erduan, der den Leuten wieder eine Perspektive gibt und dann plötzlich eine 180 Grad Wendung macht. Oder bei uns in Deutschland. Uns lacht die Sonne aus dem Arsch. Ein reiches Land. Wieso ist es dann möglich AFD zu wählen? Wie kommt es, dass wenn es einem besser geht, die Leute rechts wählen und immer mehr ihre Besitztümer halten wollen? Aus diesen Gründen haben wir die neue Scheibe «Monster Hero» getauft.

MF: Wo siehst du, musikalisch gesehen, das neue Album in der Geschichte von Axxis?

Bernhard: Ein Album mit neuen Songs (grinst) im Stil von Axxis, so wie wir schon immer waren. Allerdings war die Herangehensweise dieses Mal anders. Ein Gitarrenbauer aus Deutschland sprach mich an und fragte: "Hast du nicht Bock auf eine Gitarre, so wie du sie dir vorstellst?" Ich habe eine Fender, die ich tierisch geil finde, aber ich würde mir auch eine Les Paul wünschen. Die Les Paul sind aber teuer und haben in meinen Augen einen sehr unflexiblen Sound. Mein Wunsch war somit eine Les Paul, die flexibler ist. Der Typ hat mir dann so eine Gitarre gebaut, die sicher 4'000 Euro Wert hat. Genau zum Start des Songwritings bekam ich diese Gitarre und begann mit ihr zu komponieren. Über die Riffs bin ich ins Songwriting gekommen. Nicht über die Akustikgitarre, wie dies sonst immer der Fall war. Das hat massgeblich dazu beigetragen, dass die neue Platte rifforientierter ist. "Classic old school", aber trotzdem mit einem modernen Touch.

MF: Wie kam es zum Bandnamen Axxis?

Bernhard: Das weisst du noch nicht? Nach den tausenden von Interviews, die wir schon führten? Die Vorgängertruppe hiess Anvil. Damals war ich noch ein Kid und stand immer im Publikum, wenn die Jungs auf der Bühne standen. Das waren ältere Säcke und die hatten einen hölzernen Ambos auf der Bühne stehen. Das war bei uns in Lünen eine richtige Sensation. Die Band hatte eine eigene PA, was damals was bedeutete. Jahre später stieg ich bei ihnen ein. Da muss ich 18 oder 19 Jahre alt gewesen sein (grinst). Ich stellte fest… Damals gab es den Metal Hammer noch nicht, aber das Desaster. Erinnerst du dich?

MF: Aber sicher!

Bernhard: Die haben dieses Zeitungspapier verwendet. Da haben wir erfahren, dass es aus Kanada schon eine Truppe mit dem Namen Anvil gab. "Scheisse auch!" Wollen wir was reissen, müssen wir den Namen ändern. Wir suchten einen kurzen und knappen Bandnamen, der einen Bezug zum Metal haben sollte. Warum kurz und knapp? Damit wir die Buchstaben grösser auf die Plakate drucken konnten. Damals war der Plakatdruck sauteuer (grinst). Da bezahlte man pro Plakat zwei Mark. Druckst du hundert Plakate, bist du als Band pleite. Wir erstellten dann kleinere Poster, dafür mit einem Namen, den man gross drucken konnte (lacht). So kam es zu Axis, die Axt, oder die Gitarrenäxte. Als wir den Plattenvertrag unterzeichneten, recherchierte die Plattenfirma, ob es diesen Namen schon geben würde. Es gab einen Musikverlag und aus Sicherheitsgründen schoben wir noch ein zweites "X" rein. So sind seit 1989 Axxis entstanden.

MF: Wie war es damals für dich, als du das erste Axxis-Album in den Händen gehalten hast?

Bernhard: Das war Wahnsinn! Zu der Zeit hat noch niemand an Digitalität gedacht. Eine Platte war ein einzigartiges Ding! Das war ein sehr ergreifendes Gefühl, die eigene Platte in den Händen zu halten (voller Stolz!). Das war tierisch, und ich kann das gar nicht in Worte fassen. Heute ist dies gar nicht mehr zu wertschätzen, was das damals bedeutet hat, im Vergleich zu heute. Meine Tochter weiss doch heute gar nicht mehr, welche Künstler sie sich anhört. Die konsumiert im Algorithmus, was Spotify ihr anbietet. Was da zu hören ist, ist scheissegal. In meiner Jugend habe ich mich stundenlang mit KISS auseinandergesetzt. Habe Fotos gesucht und war auf der Jagd nach unmaskierten Bildern. In der Bravo gab es irgendwann ein Foto von Paul Stanley, ungeschminkt! Viel hast du nicht gesehen, ausser ein milchiges Bild (lacht). Paul ungeschminkt in New York. Das war der pure Wahnsinn (voller Euphorie!)! Damals hat man sich noch mit einer Truppe beschäftigt. Erschien ein neues Album, wurde dies zelebriert. Man traf sich mit seinen Kumpels, hat eine Kiste Bier gekippt und das neue Lebenszeichen der Band genossen. Vom Anfang bis zum Ende. Dabei mussten man zwischendurch aufstehen und die Seite drehen. WAHNSINN! Man hat Musik zelebriert und es war ein Genuss! Als ob man einen feinen Whisky trinkt. Heute kippt man sich den teuren Whisky einfach hinter die Binde. Damals hat man ihn genossen (lacht). Zu der Zeit gab es noch eine HiFi-Anlage. Man kannte nicht diese Pimmel-Bluetooth-Boxen. Als Jugendlicher sparte ich für eine vernünftige Anlage. Mit goldenen Steckern, weil so der Sound noch besser war (grinst). Früher, das war wie ein Fetisch!

MF: Wie kamst du zu deinem Kultur-Award?

Bernhard: Das ist auch so eine lustige Geschichte. Jahre zuvor schmiss man uns in Lünen aus dem Proberaum. Das muss 1980 oder 1982 gewesen sein (lacht). Typen mit langen Haaren und lauter Musik wollten sie in der Stadt nicht haben. Wir hatten den Proberaum im Keller eines Kindergartens. Nach 18:00 Uhr durften wir dort üben. Jahre später erhalte ich von der gleichen Stadt den Kulturpreis. Zum 675-jährigen Jubiläum der Stadt Lünen haben wir im Theater gespielt. Das war sehr ungewöhnlich, weil die Besucher sitzen mussten. Für mich eine ganz komische Atmosphäre. Davon gibt es auch ein Buch, das richtig toll geworden ist (zu kaufen auf der Axxis Homepage). Eine Woche später ist eine Mitteilung des Bürgermeisters auf meinem Anrufbe-antworter. "Wir wollen mit ihnen sprechen, bitte rufen sie zurück." Ich dachte nur: «Scheisse, was haben wir hier wieder kaputt gemacht», und darum rief ich auch nicht an (lacht). Er hat mich aber immer wieder angerufen, bis abends spät in die Nacht. Sie wollten mit der News raus und von mir das Okay für die Presse haben (lacht). Er erklärte mir, dass ich den Kulturpreis der Stadt Lünen bekommen werde. Das war natürlich geil, keine Frage!

MF: Die alten Axxis-Alben von euch sind nicht mehr erhältlich. Plant ihr da Widerveröffentlichungen?

Bernhard: Das würden wir gerne machen, aber die Leute von Universal sitzen mit ihrem fetten Arsch drauf. Vor Jahren dachte ich, wenn der Plattenvertrag abgelaufen ist, können wir mit den Aufnahmen machen, was wir wollen. Nö nö nö! 99 Jahre dürfen die das Material noch verwerten. Das nennt man dann Künstlerschutz. Die schützen uns vor uns selber. Wir können nichts damit machen. Ab dem Jahr 2000 haben wir nur noch Bandübernahmeverträge abgeschlossen. Ab «Back To The Kingdom» liegen die Rechte bei uns. Für die ganzen EMI-Alben liegen alle Rechte bei Universal. Und hey, wir haben die EMI überlebt (lautes Lachen). Das ist peinlich ohne Ende! Wir überlegen uns zum 30-jährigen von Axxis die besten Lieder aus den EMI-Jahren nochmals neu aufzunehmen. Aus zwei Gründen. Einmal, dass die Leute die Songs wieder kaufen können und dass wir an diesen Aufnahmen die Rechte haben. Neu aufnehmen, das dürfen wir. Grundsätzlich bin ich kein Freund von so aufgewärmten Sachen. CDs aufzunehmen, macht das in Zukunft noch Sinn? Alleine was abgeht bei «Monster Hero», aber auch sonst auf dieser Welt… Die Autos haben gar keinen CD-Player mehr eingebaut. Wieso sollen wir also noch CDs produzieren, wenn die ganze Welt sowas nicht mehr haben will? Oder die Menschen dazu gezwungen werden, CDs nicht mehr kaufen zu können. Der Trend geht in die Richtung, dass es noch CDs gibt, aber keine Abspielmöglichkeiten mehr. «Monster Hero» wurde von Amazon boykottiert. Gerade in dieser heissen Phase haben uns die Penner boykottiert. Ich singe über den Wahnsinn von Facebook und Amazon wie die Macht, welche diese ganzen Penner haben… Dabei hätte ich niemals gedacht, dass es unser eigenes Album trifft. In Deutschland hat Amazon 900 CDs von uns vorbestellt. Die Leute bestellten das Werk auf Amazon vor und wir waren kurzzeitig auf Platz 2 in den Rockcharts. Dann hat Amazon dem Vertrieb Soulfood gesagt, dass sie bessere Konditionen wollen. Als sie die nicht bekamen, wurde die Vorbestellung von Amazon storniert. Deshalb kam es, dass wir bei euch in der Schweiz höher in den Charts eingestiegen sind, als in Deutschland (lacht). Die Leute bestellten das neue Werk wie bescheuert über unsere Homepage. In den ersten zwei Tagen hat Harry (Keyboarder) drei Waschkörbe voll CDs auf die Post gebracht. Logisch ist es geil, wenn die Leute über unsere Homepage bestellen, da verdienen wir mehr, aber diese Verkäufe werden für die Charts nicht registriert. Jetzt sind wir bei Amazon wieder im Angebot. Wahrscheinlich bekamen sie bessere Konditionen vom Vertrieb, ich weiss es nicht! Die nützen einfach ihre Scheissmacht aus! Dass wir überhaupt bei euch in den Charts waren, war überraschend für uns (lacht).

MF: Das liegt nur daran, dass ihr bei uns auf Platz 1 wart!

Bernhard: Das kann durchaus sein, denn ihr seid echt informativ und eine richtige Hausnummer. Der Vertrieb schien bei euch zu funktionieren. Das Problem hatten wir in der Schweiz mit Amazon nicht, nur in Deutschland. Das ist echt zum Kotzen. Das ist bei Spotify dann einfacher. Du hast keine Unkosten, haust dir das Teil drauf und hast keinen Stress! ABER! Wir verdienen damit nur 0.0000000001 Cent. Das ist der Nachteil (lacht).

MF: Wie hast du dich über all die Jahre verändert?

Bernhard: Ja, ich werde grauer und meine Haut wird langsam weicher. Ich muss öfters aufs Klo und hoffe, dass die Inkontinenz noch ein bisschen auf sich warten lässt (lacht). Ganz ehrlich, ich weiss nicht, woran das liegt, aber die Band wird immer fetter. Auch ich, es läuft einfach besser. Vielleicht liegt das auch daran, dass ich mit meiner Anspannung, die ich wegen meines Grundcharakters habe, immer das Beste abliefern zu wollen, mich unter Druck setze. Dadurch eher Stress, denn Spass hatte. Hätte, hätte, konjunktiv. Im Alter..., oh je..., ja, im Alter (lacht), bin ich durch die Erfahrung viel gelassener geworden. Schon passiert nichts, und man wird auch nicht mehr krank. Man kann vieles bedeutend mehr geniessen, und man merkt dies der Band auch an. Live zu spielen, das macht einfach unglaublich Spass.

MF: Auf der Bühne seid ihr eine der besten Bands, selbst wenn dann, wie damals in Balingen am «Bang Your Head», bei euch eine kleiner Junge auf die Bühne kotzt…

Bernhard: …(lautes Lachen) darüber wird gerade eine DVD gemacht. Jakob aus Mühlhausen. Wir mussten von ihm die Erlaubnis haben, dass wir ihn auf die DVD packen dürfen. Der Jakob hat da alles gegeben. Ich will keine betrunkenen Frauen mehr bei uns auf der Bühne. Jetzt kotzt der Junge, weil er vor lauter Aufregung eine Pulle Wasser trank (lacht). Auf der DVD verpacken wir dies so, dass es nicht peinlich wird. Du hörst das Kotzen, aber du siehst es nicht (lacht).

MF: Besten Dank für das wie immer lustige und ausführliche Interview. Wir sehen uns in Aarburg!

Bernhard: Klar, wir freuen uns auf die Schweiz, danke dir für alles und bis bald!