Interview: Accept
By Rockslave
Eigentlich ist es ja Alex Beyrodt (Primal Fear, Voodoo Circle) vorbehalten, in seinen Facebook Postings häufig jeweils den kurzen, aber prägnanten Satz "Life is great!" zu hinterlassen. Genau das Gleiche dachte ich nun im Vorfeld zu diesem Interview auch! Hätte mir jemand 1986 in Lausanne während dem Konzert prophezeit, dass ich über ein Vierteljahrhundert später erstens die Band unter dem gleichen Namen immer noch abfeiern und dann auch noch das Ur-Mitglied Wolf Hoffmann face-to-face würde interviewen können, den hätte ich abschätzig ausgelacht. Doch es kam anders und das ist gut so! Nach dem durchschlagenden Erfolg der Comeback-Rille «Blood Of The Nations» und dem feinen, aktuellen Nachschlag «Stalingrad» befinden sich Accept wieder in einer beneidenswerten Form! Wer vor ein paar Monaten dachte, dass die Sache ohne den ehemaligen Fronter Udo Dirkschneider nur bedingt oder gar nicht funktionieren wird, musste bald einmal anerkennen, dass er gewaltig daneben lag. Selbst mein Interview-Partner fand immer noch Worte des Erstauntseins dafür, doch lest selber...

MF: Also Wolf...


Wolf: ...joooh!

MF: Hand aufs Herz: Seid ihr schon wieder am Boden angekommen..., nach dem Erdbeben, das ihr im Sommer 2010 losgetreten habt?

Wolf: (kichert) - Wir sind noch mitten drin im Erdbeben..., wir sind ja pausenlos im Einsatz seit über zwei Jahren jetzt mittlerweile. Angefangen hat ja alles vor circa zweieinhalb Jahren..., glaube ich..., als wir den Mark getroffen haben. Seit dem..., erste Scheibe gemacht, auf Tour gewesen..., pausenlos zwei Jahre und gleich nach dem Ende der letzten Tour sind wir wieder ins Studio gegangen. Ja..., und jetzt sind wir schon wieder hier..., auf Tour und wir sind an sich bis heute nie richtig zur Ruhe gekommen. Was ja eigentlich ganz gut ist..., wollen wir ja gar nicht..., wir wollen ständig unterwegs sein. Wir haben wirklich ganz schön hart gearbeitet..., in den letzten Monaten und auch jetzt wieder.

MF: Accept haben in den 80ern die ersten, grossen Erfolge feiern können. Welchen Stellenwert nimmt die aktuelle Situation dabei ein?

Wolf: Also ich finde..., es ist ein neues Kapitel, das geöffnet wurde in den letzten drei Jahren. Auch wenn es total traditionell ist und auf dem Alten basiert, ist es letztendlich doch ein neuer Abschnitt..., mit neuem Sänger und mit neuen Songs. Und diese ganze Geschichte ist eigentlich erfolgreicher als das Meiste, an das ich mich erinnern kann. Klar waren wir in den 80er-Jahren auch erfolgreich, aber diese "Schlag auf Schlag"-Erfolge, die wir jetzt gerade so verbuchen können, hatten wir damals in dem Sinne nicht so. Wir waren auch sehr erfolgreich, aber irgendwie anders. Insofern kann man ruhig sagen, das ist wirklich der erfolgreichste Abschnitt unserer Karriere.

MF: Nach dem durchschlagenden Erfolg von «Blood Of The Nations» waren die Erwartungen an den Nachfolger gross! Habt ihr das auch gespürt oder einfach das gemacht, von dem ihr überzeugt wart?

Wolf: Ja, es war uns schon bewusst..., wir haben das schon bewusst wahr genommen, dass es schwierig sein wird jetzt nach «Blood Of The Nations» einen würdigen Naschfolger zu kreieren, der dem auch Stand hält. Die Messlatte lag schon ziemlich hoch..., das war uns bewusst, aber man kann sich ja auch von sowas nicht verrückt machen und einschüchtern lassen. Wir haben letztendlich gesagt, wir machen das, was wir immer machen..., frisch von der Leber weg und versuchen unser Bestes zu geben. Alles andere kann man sowieso nicht machen. Man kann jetzt nicht versuchen, genau das Gleiche nochmals zu machen wie «Blood Of The Nations». Wir haben einfach versucht, gute Songs zu schreiben und haben uns immer wieder hinterfragt. Sind die Songs gut genug, und was können wir noch verbessern, woran noch weiter arbeiten? Und das haben wir jetzt über Monate gemacht. Es ist ein würdiger Nachfolger geworden, der genau im dem gleichen Stil ist wie «Blood Of The Nations». Es sind neue Songs, ohne grundsätzlich anders zu sein..., das war unsere Vorgabe, unserer Linie treu bleiben, aber eben frische neue Songs mit viel Energie abliefern.

MF: «Stalingrad» hat wiederum sehr gute Resonanzen erzielt. Das sehen erfahrungsgemäss nicht alle gleich, aber was sagst du dazu, dass die zehn neuen Songs mehrere Durchläufe brauchen, dann aber richtig zünden?!

Wolf: Das ist natürlich bei jedem anders. Alles, was ich bis jetzt zu Ohr bekommen habe, war super positiv. Ob der eine mehr oder weniger Anläufe braucht, kann ich jetzt nicht beurteilen..., ist auch letztendlich wurscht, solange das Endmaterial gut ist. Und ich glaube..., das kann man so schon sagen..., das die neue Platte..., ich will mich hier jetzt nicht selber loben, aber die Reaktionen der Fans und das ist ja schliesslich das Wichtigste, sind durchaus positiv. Und alles andere muss man abwarten, also wie sich die nächsten Wochen und Monate so entwickeln. Bisher stehen alle Zeichen auf Sturm und super positiv.

MF: Im Booklet hast es zu den Songs keine Einzel-Credits. Ist «Stalingrad» demnach ein "Band-Album" geworden?

Wolf: Daran hat sich gar nichts geändert, das war genau gleich. Bei uns ist die Arbeitsweise eigentlich immer dieselbe..., das fängt immer alles so an, dass Peter und ich uns zusammen setzen und Riffs schreiben sowie Ideen austauschen. Die ersten Songstrukturen entstehen auf diese Weise, dass wir beide es zusammen machen und der Peter oft auch die Demo-Vocals beisteuert, so als erster Anlauf. Wenn sich das Ganze allmählich als Song entpuppt, geben wir die Sache zu Mark. Der schreibt dann die Lyrics dazu und so geht es immer weiter. Am Anfang steht also stets die Musik und fast alles mit den Gitarren-Riffs.

MF: Peter und du, Wolf, seid für mich wie Jagger/Richards oder Lennon/McCartney! (Wolf räuspert sich) - Könntest du deine eigenen Ideen ohne ihn auch umsetzen?

Wolf: Ahmm..., schwer! So gut wie nicht vorzustellen. Wir brauchen uns beide..., wir bilden eine Symbiose zusammen. Der Eine kann ohne den Anderen nicht..., wir schreiben aber auch oft separat Songs, doch so richtig zu Accept wird es meistens erst, wenn wir beide zusammen treffen. Wir sind da wirklich ein ungewöhnliches Team in der Hinsicht und verstehen uns irgendwie blind..., ohne viel sagen zu müssen. Das ist ganz eigenartig, das gibt es auch nicht so oft. Ich habe auch schon mit anderen Leuten mal gearbeitet und so, aber diese Sache zwischen Peter und mir ist relativ einmalig. Wir spielen ja jetzt auch schon beinahe..., oh Gott..., 35 Jahre lang zusammen!

MF: Seit die Live-Aktivitäten im Mai 2010 wieder aufgenommen wurden, seid ihr schon wieder ordentlich in der Welt herum gekommen. Fällt die Reiserei heuer schwerer als früher?

Wolf: Nun..., wenn man ehrlich ist..., ja! Es wird sicherlich nicht leichter..., eigentlich nicht nur weil wir älter und bequemer werden im Leben, sondern auch, weil sich die Umstände so schrecklich ändern. Alleine..., man muss überlegen, wie einfach es früher war, ins Flugzeug zu klettern und wie kompliziert es heute geworden ist! Die ganzen Beschränkungen die es da gibt..., also wir machen ja fast alles mit dem Flugzeug..., auch dadurch, dass wir auf verschiedenen Kontinenten leben, sind Flugreisen immer mit dabei. Der Teil ist sicherlich nicht einfacher geworden und andere Beschränkungen..., es wird alles immer schwieriger. Auch aktuell mit den Busreisen in Europa..., wird sind jetzt zum Beispiel mit Tourbussen unterwegs. Da gibt es neuerdings fürchterlich viele Sicherheitsbeschränkungen. Da müssen die Busfahrer beispielsweise zwei Tage lang anhalten und Pause machen..., und dann müssen neue Busfahrer eingeflogen werden. Also lauter Sachen, die es früher nicht gab und das Tourleben eher erschweren als erleichtern. Und überhaupt, diese ganzen Regulierungen in Europa sind nicht gerade dazu da, den Rock'n'Roll zu fördern. Manchmal denkt man, dass es wirklich dazu angelegt ist, den R'n'R zu killen. Wenn ich alleine schon nur an die Lautstärkebeschränkungen denke, die sicherlich irgendwo..., die übergreifende Idee ist sicherlich gut, aber man kann einfach keine Heavy Metal Konzerte spielen mit 95 dB. Ein Schlagzeug als Solches ist schon lauter, und auch wenn das noch so gut gemeint ist, es killt letztendlich den R'n'R und den Heavy Metal. Auf Tour zu gehen wird sicher nicht einfacher im Laufe der Zeit.

MF: Die Bandgeschichte von Accept ist geprägt von zahlreichen Besetzungswechseln. Jetzt habe ich irgendwie das Gefühl, dass das jetzige Lineup für den Rest eurer Karriere Bestand haben wird. Wie siehst du das?

Wolf: Das hoffen wir mal..., ne?!! Klar..., hofft man immer. Keiner wünscht sich Besetzungswechsel..., die sind mehr oder weniger immer situationsbedingt..., wünscht sich keiner eigentlich. Man möchte permanent in der gleichen Besetzung spielen können, aber das Leben ist manchmal anders, als man es sich wünscht. Und wir haben ja schon, verglichen mit anderen Bands, ein relativ stabiles Lineup gehabt über die Jahre, aber nicht so stabil, wie es hätte sein können.

MF: Zur Geschichte von Accept gehört natürlich auch Udo Dirkschneider, ohne den nichts so wäre wie heute. Wenn man sich nun die Aufnahmen von Wacken 2005 anschaut, kommt das Ganze aber ziemlich blutleer daher. Mit welchen Gefühlen seid ihr damals auseinander gegangen?

Wolf: Also ich habe einen Grundsatz: Ich spreche nicht über Udo und wünsche ihm alles Gute in seiner Karriere. Er ist seit 25 Jahren nicht mehr bei uns und hat seither seine eigene Band..., dieses Jahr sogar sein Jubiläum. Wir wünschen ihm alles Gute, ansonsten möchte ich nicht über ihn sprechen..., OK?!

MF: Mark Tornillo hatte einen grossen Anteil daran, dass Accept 2012 stärker denn je sind. Warst du, Peter und all die Leute in eurem Umfeld 100% Prozent überzeugt davon, dass es funktionieren würde?

Wolf: Natürlich! Sonst hätten wir es nicht gemacht..., absolut..., klar! Natürlich kann man sich seiner Sache allenfalls begrenzt sicher sein..., wir waren uns jedoch sicher, aber wir wussten halt nicht, ob das ganze Experiment gelingt und ob die Fans das akzeptieren würden. Das war uns letztendlich aber egal..., ich würde immer wieder gefragt, ob es nicht ein Risiko gewesen sei, das wir eingegangen sind. Klar war ein Risiko vorhanden, aber ich meine, wir hatten sonst keine andere Wahl. Udo hatte ja erklärt, dass er bei uns nicht mitmachen will und kein Interesse daran hat. Also hätte es nur die Wahl gegeben keine Musik zu machen oder halt das Wagnis einzugehen, einen neuen Sänger zu nehmen. Und das war, als sich uns die Chance bot, das Risiko wert. Und..., was hatten wir schon zu verlieren?!! Zu Hause bleiben und gar nichts, gar keine Musik zu machen oder eben einen..., wie gesagt..., mit einem neuen Lineup nochmals den Versuch zu starten und insofern sind wir heilfroh, dass alles so gut geklappt hat.

MF: Und wie es geklappt hat...

Wolf: ...na ja..., wir haben eine bessere Gemeinschaft jetzt, ein besseres Frontbild und ich glaube wir haben insgesamt 'ne bessere Version als vorher.

MF: Letztes Jahr habt ihr hier in Pratteln eine Mörder-Show gespielt und unter anderem nur das eine Mal «Restless And Wild» am Stück durch gespielt. Warum wurde das nicht gefilmt oder mindestens audiomässig mitgeschnitten?

Wolf: Tja..., das sind immer solche Entscheidungen..., das ist logistisch gar nicht so einfach, das alles immer durch zu ziehen. Und ich denke, das können wir jederzeit wieder wiederholen und machen das vielleicht eines Tages auch noch mal. Wir wollen ja sowieso eine Live-DVD machen und wir haben auch sehr viele Shows mitgeschnitten. Ich muss jetzt direkt mal überlegen, ob wir die Show damals audiomässig mitgeschnitten haben..., ich glaube sogar, das haben wir gemacht. Ich Nachhinein müsst' ich jetzt mal in unser Archiv gehen und nachsehen..., wir haben sehr viele mitgeschnittene Shows und da wird sicherlich noch das Eine oder Andere veröffentlicht werden. Wir haben uns erst mal auf die Studio-CDs konzentriert, weil das erschien uns am wichtigsten, neues Material zu haben, von dem wir dann was ziehen können. Wenn wir jetzt eine Live-DVD machen wollten, sollte neues Material gefeatured werden und nicht nur 30 Jahre alte Songs. Ich denke im nächsten Jahr wird es soweit sein, dass wir eine Live-DVD veröffentlichen.

Im lockeren Small-Talk tauschten wir dann noch ein paar Eindrücke des hammergeilen Auftrittes von Balingen am letztjährigen BYH!!! aus. Dabei hob Wolf die geile Stimmung und Atmosphäre dieses denkwürdigen Abends hervor und bedauerte etwas, das man halt aus finanziellen Gründen nicht immer alles festhalten kann und man sich diesen Luxus nicht leisten könne. Nichtsdestotrotz wurden in der Schwäbischen Alb jedoch professionelle Aufnahmen in eigener Regie gemacht, die nun zur grossen Freude aller Fans bei der limitierten Schuber-Version von «Stalingrad» als Goodie (drei Songs, plus zwei vom "Masters Of Rock" von 2010) beiliegen und schon mal einen mächtigen Eindruck hinterlassen.

MF: Was machst du jeweils wenige Minuten vor dem Beginn einer Show?

Wolf: Ehmm..., da gibt es ein paar Minuten Ruhe..., ein bisschen Warm-Up Übungen..., der Mark singt sich warm, ich mach' meine Gitarren-Übungen..., manchmal habe ich auch backstage eine Gitarre, mit der ich mich kurz warm spiele, es ist nix Besonderes oder Aufsehenerregendes.

MF: Was möchtest du abschliessend den Lesern von Metal Factory und allen Schweizer Accept Fans noch mitteilen?

Wolf: Ja..., dass es schön ist, dass es überhaupt noch Fans gibt und schön, dass wir noch da, auf Tour sind! Wir freuen uns jeden Tag daran und freuen uns besonders, heute Abend wieder in der Schweiz zu sein. Das Z7 ist so zu sagen immer ein super "Homecoming"-Gig..., wir waren ja schon ganz oft hier und freuen uns immer wieder, hier zu sein. Und hey..., Metal Fans sind weltweit immer geil und natürlich in der Schweiz ganz besonders!

MF: Bestens..., vielen Dank!

Wolf: Paggn wers!


Unser Rockslave mit Wolf Hoffmann >>>